Märchenhaft
Der Wiener Jugendstil, so hat es Nike Wagner einmal poetisch und zutreffend formuliert, sei die «Kunst der Träumerei entzügelter Nerven». Symptomatisch für diese Zeit steht Alexander Zemlinskys Oper «Der Traumgörge» von 1907. Dessen Titelheld ist ein Träumer, der sich in Bücher versenkt und seine lebenslustige Braut Grete lieber dem bodenständigen Hans überlässt. Er sehnt sich nach einer Märchenprinzessin. Auf der Suche danach gerät er in ein Dorf, in dem der Mob eine junge Frau als Hexe denunziert und ihr Haus abfackelt.
Görge rettet sie – und entdeckt in ihr seine Traumfrau.
Erstmals überhaupt haben zwei französische Opernhäuser – die Opéra de Dijon und die Opéra national de Lorraine in Nancy – dieses Werk des Fin de Siècle, dessen Uraufführung erst 1980 in Nürnberg stattfand, kooperierend in ihren Spielplan übernommen. Für die musikalisch exzellente Produktion wurde bei Jan-Benjamin Homolka eine Corona-kompatible Kammermusikfassung bestellt. Ein Manko ist es nicht. Dirigentin Marta Gardolińska leuchtet mit 40 anstatt der vom Komponisten vorgesehenen 80 Musikern wunderbar klar in das verästelte Klangdickicht hinein. Mahlers traumverhangenes «Ich bin der Welt abhanden gekommen» ...
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Opernwelt Dezember 2020
Rubrik: Panorama, Seite 35
von Sabine Weber
Um Faust zur Unterschrift unter den höllischen Pakt zu bewegen, eröffnet Méphistophélès seinem Opfer einen magischen Durchblick: Marguerite erscheint als Zauberbild. Hornrufe und Harfenarpeggi signalisieren ein Reich des Wunderbaren. Auf diese kurze Szene in Gounods «Faust» von 1859 antwortet Camille Saint-Saëns fünf Jahre später in seiner Opéra fantastique «Le...
JUBILARE
Ernst Krenek war sauer. Stocksauer. Da hatte doch dieser unverschämte junge Regisseur am Staatstheater Darmstadt 1978 sein heiliges Werk «Karl V.» so unbotmäßig und radikal gekürzt, dass der Schöpfer es kaum mehr wiedererkennen mochte. Wütend also suchte der eigens aus den Vereinigten Staaten von Amerika angereiste Komponist das Weite und produzierte damit...
Anno 1728, auf der einsamen Höhe seiner auf das Wesentliche fokussierten Kunst des Komponierens, lässt Händel die Tropfen des bitteren Kelches gleichsam in die Venen des Helden Tolomeo einsickern. Der wähnt sich dem selbst gewählten Gifttode ganz nah, als er in seiner Arie «Stille amare, già vi sento» fragt: «Wo bin ich, lebe ich noch?» Der einstige König von...