Machtspiele

Monteverdi: L’incoronazione di Poppea am Theater Basel

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Schön soll sie gewesen sein. Viel mehr Positives findet sich in den «Annalen» des römischen Geschichtsschreibers Tacitus nicht über Poppaea, jene Frau, in die der römische Kaiser Nero so verliebt war, dass er dafür sowohl seine Mutter als auch die ins Exil entwichene Ehefrau ermorden ließ. Dass Claudio Monteverdi ausgerechnet diesem grausamen Paar eines der schönsten Liebesduette der Operngeschichte zueignete, mag aus heutiger Sicht befremden.

Aber erstens lässt Monteverdi in diesem antizipierten Liebestod das baldige Verblassen der Beziehung schon erahnen, zweitens schrieb sein Librettist Busenello dem Paar eine nachgerade obsessive Haltung ins Stammbuch: «Ich betrachte dich, ich besitze dich …»

Bei Christoph Marthaler stehen die beiden regungslos nebeneinander. Am Ende fällt Nerone zu Boden. Und Poppea geht – mit einer anderen Frau … Ein Fall von Liebe? Die ist den gesamten Abend über abwesend. Die Allegorien Glück, Tapferkeit und Liebe kann man nur hören – ihre Leichen werden in Säcken entsorgt. Und damit ist der Schweizer Regisseur in seiner Auseinandersetzung mit Monteverdis Opus summum am Theater Basel der Antike und der Entstehungszeit des Werks im Prinzip ebenso nah wie ...

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Opernwelt Mai 2024
Rubrik: Panorama, Seite 42
von Alexander Dick

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