Zeit(t)räume
Der Schwanenmord steht noch aus, erst recht der Gang durch Raum und Zeit zur Gralsburg oder Kundrys alles wendender Kuss. Es ist Gurnemanz, der für einen frühen Höhepunkt sorgt. «Ihm neigten sich in heilig ernster Nacht …», singt Georg Zeppenfeld, und man muss innerlich niederknien vor ihm. Dass dieser Bassist für seine Wortverständlichkeit gerühmt wird, passiert ständig. Aber hier hört man exemplarisch, was Zeppenfeld zum singulären Fall des Wagner-Gesangs macht. Die musterhafte Verbindung von Deklamation, Textbewusstsein und Legato-Phrasierung.
Jedes Wort, jede Silbe hat Gewicht, und doch wird alles zusammengefügt zu flexiblen, belcantesken Bögen. Kein Ton ist verzerrt, nichts wird forciert. Wie ein ins Monumentale geweitetes Lied, ohne dass etwas ausgestellt oder doziert wird. Einmal nimmt Zeppenfeld das Wort «Sünder» subtil zurück, und doch klingt es nicht demonstrativ. Und irgendwann beschleicht einen die Frage: Ob der Gurnemanz jemals derart vollkommen auf CD gebannt wurde?
Dabei ist die Neueinspielung «nur» ein Soundtrack. Im April 2021 kam dieser «Parsifal» an der Wiener Staatsoper heraus. Der Lockdown zwang alle Beteiligten zur Stream-Premiere. Was eine böse Pointe birgt, ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt Mai 2024
Rubrik: CDs, DVDs und Bücher, Seite 31
von Markus Thiel
Die zweite und letzte Neuproduktion an der English National Opera (ENO) in dieser ansonsten aus Wiederaufnahmen bestehenden Spielzeit traf mit Lidiya Yankovskayas atmosphärisch dichtem Dirigat und Joe Hill-Gibbins’ spannender Lesart von Bartóks Einakter «Herzog Blaubarts Burg» trotz krankheitsbedingter Probleme ins Schwarze. Allison Cook, die eigentlich Judit...
Gerade noch hat Dramaturgin Sarah Grahneis umsichtig das gleich folgende Stück erklärt, mit dem Librettisten Händl Klaus über die Bedeutung des Textes wie die komplexe Musik von Georg Friedrich Haas gesprochen. Und schon geht es vom Foyer des Staatstheaters auf die Bühne und dortselbst auf eine Tribüne. Vor uns das Orchester, an den Flanken positioniert, in der...
Manchmal entscheiden die ersten Minuten über den Ton einer Aufführung, und damit ist nicht die Musik gemeint. In Nürnberg entert ein munterer Mann das Parkett. «He, ho, Waldhüter», ruft er. Weniger in Richtung Knappen, sondern gen Premierengemeinde. Nicht einschlafen, die Sache dauert schließlich noch fünf Stunden, signalisiert er augenzwinkernd – und küsst einer...