Liebes(un)glück

Verdi: Falstaff am Staatstheater Nürnberg

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Ein Königreich für eine Wampe, pardon, für ein Embonpoint? Nicht in Nürnberg. Claudio Otellis Falstaff ist zwar kein James Dean und auch kein Casanova – ein Fettwanst aber ebensowenig. Seine Baritonstimme gleicht der Figur. Leicht füllig ist sie, dabei durchaus gelenkig, weder überbordend noch schwammig, eher stabil, gutsitzend in Mittellage wie Tiefe und flamboyant im höheren Register. Auch gleicht dieser Mann keinem Ritter aus fernen feudalen Zeiten.

Dieser Falstaff ist ein Bohémien und ausgebuffter Vorstadtganove: herrisch (zur Not gemein) seinen Helfershelfern gegenüber, aber eigentlich ein Mann, der nur noch eines will: genießen. Das Leben und die Liebe. 

Jo Schramm hat für ihn und seine schlecht bezahlten Angestellten Bardolfo (vokal vital, schauspielerisch smart: Martin Platz) und Pistola (bärbeißig, mit bärig brummendem Bass: Taras Konoshchenko) ein trost- und traumloses Großstadtambiente auf die Bühne des Staatstheaters gebaut: einheitlich mausgrauer Beton, kein Grün nirgendwo, im Erdgeschoss ein gähnend leerer «King Kebab», der bei Fords pathosreicher Es-Dur-Arie im zweiten Akt plötzlich lichterloh erstrahlt wie die gesamte Fassade und einen videogenerierten Affen daran ...

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Opernwelt April 2023
Rubrik: Panorama, Seite 41
von Jürgen Otten

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