Kommt ins Offene!

Das Staatstheater Darmstadt begreift die Corona-Krise als Chance, mit Arbeiten fürs Netz und neuen Perspektiven auf die veränderte Situation zu reagieren

Nein, gesungen wird nicht an diesem Vormittag. Nur das Plätschern von Wasser ist zu hören. In einem weißen Kubus kniet Bariton David Pichlmaier vor einer Zinkwanne, reibt sich akribisch mit Lehmseife ein, spült sich dann ab. Eine Kamera fängt den Vorgang ein, hautnah, aus unterschiedlicher Perspektive. Wie später auch jene Szene, in der die Sopranistin Katrin Gerstenberger mit kräftigen Spatenstichen ein Grab aushebt, nonchalant hineinsteigt und sich ausstreckt, als wolle sie ein Sonnenbad nehmen.

Mitte Mai begannen am Staatstheater Darmstadt die Proben zu Schumanns «Dichterliebe» in einer zeitgenössischen Re-Komposition (Christian Jost). Ursprünglich sollte der Zyklus erst in der Spielzeit 2020/21 als szenische Installation auf die Bühne gelangen, doch durch die Theaterschließung entstand die Idee, das Stück noch vor der Sommerpause als digitales Musiktheater herauszubringen und damit in gewisser Weise das Motto der Spielzeit 2020/21 vorwegzunehmen: «Komm ins Offene.»  

Derlei Spontaneität erforderte allerdings eine rasche Reaktion: Nur zwei Monate blieben Regisseurin Franziska Angerer und Dramaturgin Carolin Müller-Dohle, um ihr filmisches Konzept zu entwickeln. Doch die Zeit ...

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Opernwelt August 2020
Rubrik: Magazin, Seite 57
von Silvia Adler

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