Keltisch, kantig
«Der Wind wütete, hoch schwollen die Wogen, schwer wog die Luft von Dunkelheit. Der Ozean verfinsterte sich und der Regen peitschte in Stößen herab.» So beschrieb der Mediävist Joseph Bédier in seiner 1900 erschienenen Nacherzählung des Tristan-Stoffs das Meer. Derart wild geht es an der Cardiff Bay am Abend der Premiere von Frank Martins «Le Vin herbé» zwar nicht zu, vielmehr herrscht dieses besondere Insellicht, das alle Konturen schärft. Trotzdem, es ist eine Zunge der keltischen See, die leise am Kai hinter dem Millenium Center leckt.
Leicht kann man sich auf dem bleigrauen Wasser die irische Prinzessin Isolde vorstellen, unterwegs nach Cornwall, um König Markes Frau zu werden. Wäre da nicht der Trank, der vermaledeite! Während er bei Richard Wagner nur ins Licht kehrt, was ohnehin schon gärt – um mit Thomas Mann zu sprechen, ein Glas Wasser tät’s auch –, facht bei Bédier/Martin tatsächlich erst Magie die fatale Liebe an.
Gesungen wird in dieser Neuproduktion der Welsh National Opera auf Englisch, Übertitel gibt es auch walisische. Die sehrend-chromatischen Klänge des Schweizer Komponisten klingen so kantiger, weniger ätherisch als mit den leuchtenden französischen Vokalen. ...
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Opernwelt April 2017
Rubrik: Panorama, Seite 39
von Wiebke Roloff
Frau Tzavara, was unterscheidet eine Oper für Erwachsene von einem Musiktheater für Kinder?
Generell nicht viel, außer der Länge. Bei Sechs- bis 14-Jährigen liegt der Standard bei 60, 70 Minuten ohne Pause. Wenn wir von Jugendopern sprechen, vertragen die jungen Zuschauer auch schon anderthalb Stunden. Wir hoffen ja immer, dass die Konzentrationsfähigkeit zunimmt. (...
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Robert Zemeckis Filmtrilogie «Back to the future» aus den 1980er-Jahren vermittelte ein melancholisches Gefühl der Heimatlosigkeit. Die Streifen spielten mit dem durch Zeitreisen verursachten Paradoxon: mit der zur Vergangenheit gewordenen Zukunft und einem Protagonisten, der sich zurückwünscht, um das Unwiderrufliche zu widerrufen. In weit realistischerem und...