Keine Angst vorm Fliegen

In der zeitgenössischen Musik führt kein Weg an ihr vorbei. Um die 400 Uraufführungen hat Sarah Maria Sun bestritten, und dies mit einer Ausdrucksenergie, die man auf der Opernbühne selten antrifft. Dort würde man die politisch wache Sopranistin auch deswegen gern häufiger sehen. Ein Gespräch über menschlichen Fortschritt, den guten Staat, Auftrittsängste und Waldorfschulen

Opernwelt - Logo

Frau Sun, ist Musik sui generis politisch? Oder doch «nur» eine Bewohnerin der glückseligen Ästhetik-Insel?
Das ist meines Erachtens eine eher rhetorische Frage, denn Sie wissen es sicher bereits: Für mich ist Musik definitiv keine Bewohnerin der Insel der Glückseligen. Gleiches gilt für mich selbst sowie das Leben um mich herum. Musik ist naturgemäß immer auch politisch – wir bemerken es nur in Europa kaum, da wir unsere Meinung jederzeit frei äußern dürfen.

In kommunistisch oder faschistisch oder versteckt totalitär regierten Staaten wird jedoch auch heute, zu dieser Sekunde, jede noch so harmlose Äußerung eines jeden Künstlers kontrolliert.

Gerade die neue Musik fristet aber häufig ein Dasein am Rande der öffentlichen Wahrnehmung. Ist sie dennoch gesellschaftlich wirksam und relevant? Richtet sie etwas aus und an?
Das lässt sich schwerlich sagen, wenn man, wie ich, mittendrin steckt. Man kann sich aber auf die Empirie berufen, also darauf, dass Musik auch früher schon etwas bewirkt hat. Ob die Musik, die wir aktuell «machen» oder hören, etwas bewirken wird, und welche Stücke die Zeiten überdauern werden, das können erst unsere Nachkommen beurteilen – die Komponisten, die früher ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt April 2024
Rubrik: Interview, Seite 40
von Jürgen Otten

Weitere Beiträge
Abschiedswalzer

Die Entscheidung fällt nicht eben leicht: Soll man Lehárs «Lustige Witwe» nun toll finden oder doch eher ein bisschen doof? Wäre der Maßstab die Art und Weise, wie Patrick Hahn den orchestralen Entr’acte mit der Melodie des Vilja-Lieds vor dem Finalakt dirigiert und dabei jede feine Nuance dieses melancholischen Klangbildes hervorzaubert, fiele das Votum klar aus:...

Geben und nehmen

Die Vokalduette und Vokalquartette von Schubert, Schumann und Brahms führen ein Schattendasein; abseits der Lied-Hochburgen in Heidelberg, Hohenems und Stuttgart begegnet man ihnen kaum je im Konzertsaal. Noch schlechter ist es um die französischen Mélodies À deux voix bestellt, die selbst in ihrem Ursprungsland so gut wie unbekannt sind. Unter diesem Titel haben...

Das Phantom der Oper

Im vergangenen Juli legte die Gewerkschaft Les Forces musicales, die 51 französische Opernhäuser und Orchester vertritt, eine konsternierende Broschüre vor. «La Saison fantôme» betitelt, stellte sie eine Auswahl von 19 «Geister-Produktionen» vor, die das Publikum diese Spielzeit nicht oder nur in flüchtigen Umrissen zu sehen bekommt. Abgesagte Produktionen oder...