Kammerspiel
Die Artikulation funktioniert anfangs nicht. Noch sind es nur Vokalisen in hoher Lage – wie es eben so klingt, wenn man Jahrhunderte lang in einem arktischen Eisblock eingefroren war. Und auch später, mit wiedergewonnener Sprache, wird sich Ice, so nennt sich die aufgetaute Frau, meist oberhalb des Notensystems bewegen. Es ist ein Fang der geheimnisvollen Art, den diese Arktisexpedition um den Milliönär Harry King gemacht hat. Und er wird ihr Leben verändern – Todesfolgen inklusive.
Das Schiff dieser Expedition steckt im Packeis fest.
So groß die Weite der Landschaft in diesen Breiten auch ist, so sehr ist «Anthropocene» doch ein Kammerspiel, das unterschiedliche Menschentypen auf ausweglosem Raum zusammenpfercht. Unter der Besatzung kommt es zum Konflikt: Ist die prähistorische Frau wichtiger? Oder die Story, so denkt der mitreisende Journalist Miles, dass hier ein Promi wie King nicht mehr weiterkommt? Die Grundkonstellation von «Anthropocene» ist also nicht neu. «Alien» folgt diesem Prinzip. Das fremde Wesen, ob Monster, Außerirdischer wie E. T. oder hier Ice, wird zum Spiegel der Menschen, die ihre Situation reflektieren – und im besten, seltenen Fall verstehen.
Der ...
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Opernwelt Juli 2024
Rubrik: Panorama, Seite 58
von Markus Thiel
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