Ins Herz der Finsternis
Vielleicht lag’s an der Zueignung. Vielleicht hätten Hans Werner Henze und sein Librettist Ernst Schnabel ihr Oratorio volgare e militare nicht dem kurz zuvor ermordeten kubanischen Revolutionsführer Che Guevara widmen sollen.
Vielleicht wäre es genug der politischen (An-)Rede gewesen, sie hätten sich, wie dies jüngst dem österreichischen Schriftsteller Franzobel mit seinem Roman «Das Floß der Medusa» gedanken- und wortmächtig glückte, auf das ins Allgemeine zielende Thema beschränkt: auf die Unfähigkeit des Menschen, seiner animalischen Natur Herr zu werden, die zeitlosen Grenzen des Humanen, kurz: auf das Böse in uns.
So aber kam an diesem 9. Dezember 1968 in Hamburg, was kommen musste inmitten der politisch aufgewühlten Stimmung, mit Vietnamkrieg, Notstandsgesetzgebung und dem Attentat auf Rudi Dutschke: Wo die Kunst allein durch sich selbst sprechen sollte, sprach – befeuert durch hetzerische Artikel in der Springer-Presse – die pure Aggression. Hier provokative Transparente, unsinnige Flugblätter und noch unsinnigere «Ho Chi Minh»-Sprechchöre, dort eine hirnlos-obsessiv prügelnde Polizei. Die Folge: Eskalation, Tumult, Verletzte, Verhaftungen – aber kein einziger Ton Musik. ...
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Opernwelt Mai 2018
Rubrik: Im Focus, Seite 25
von Jürgen Otten
Mondsüchtiger Taumel, laszive Erotik, rasende Obsessionen – schon die betörend schillernde Klarinettenfigur, mit der Strauss die Prinzessin aus Judäa einführt, lässt keinen Zweifel, dass sich etwas zusammenbraut. Im sehrenden Anfang schwingt das tödliche Ende bereits mit. All die Exzesse, Fantasien und Gefühlsexplosionen, die der 1905 in Dresden uraufgeführten...
«Ein bisschen absurd» sei die Angelegenheit, sagt er. «Es ist sogar etwas geisteskrank.» Schuld, Sühne, das mag da mitschwingen, wahrscheinlich auch anderes: Stolz. Zwei Premieren innerhalb von drei Tagen, Donizettis «Maria Stuarda» am Münchner Gärtnerplatz (22. März), dann Puccinis «Tosca» bei den Salzburger Osterfestspielen (24. März), das muss Michael Sturminger...
Ein französischer Komponist aus der Zeit Ludwigs XIV., dessen Name nicht geläufig ist – das macht zumindest neugierig. Umso mehr, als der selbst im Bielefelder Katalog kaum vertretene Nicolas Bernier (1665-1734) hier mit Kammerkantaten vorgestellt wird, deren Meisterwerke von Campra über Clérambault bis zu Montéclair und Rameau bekannt sind und in zahllosen...
