In die Tiefe gebohrt
Kein Geisterschiff bringt in Martin G. Bergers Inszenierung des «Fliegenden Holländers» das Unheimliche an Land – das Grauen wird vielmehr aus der Tiefe geholt, mittels einer Bohrung in die verborgenen psychologischen Abgründe der Figuren. In Wiesbaden bekommt Wagners Oper eine Vorgeschichte. Als das Publikum eintritt, wird auf der Bühne bereits gefeiert: Alle sieben Jahre gibt der Unternehmer Daland eine Party, zu der das ganze Dorf ein -geladen ist (im Piratenkostüm und alkoholenthemmt).
Auf den Tag genau vor 21 Jahren hat seine Frau ihn nach einem ähnlichen Fest verlassen und die damals 14-jährige Tochter mitgenommen. Senta kehrt nun erstmals ins Haus ihres Vaters zurück. Verdrängte Erinnerungen werden dadurch hochgespült; Senta durchlebt den verhängnisvollen Partyabend ihrer Kindheit noch einmal. Der Abend gleicht einem verstörenden Flashback. Heftig aufblitzende Erinnerungssplitter dringen an die Oberfläche. Das Regieteam bannt sie in Bilder, die unter die Haut gehen und sich dort rasierklingenscharf festsetzen. Hier geht es, das wird schnell klar, um Missbrauch.
Im Zentrum der von Alexandre Corazzola entworfenen Bühne, die von Klaus Krauspenhaar wirkungsvoll beleuchtet wird, ...
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Opernwelt März 2025
Rubrik: Panorama, Seite 42
von Silvia Adler
Der Züricher Musikwissenschaftler Laurenz Lütteken hat im vergangenen Jahrzehnt mehrere wichtige Monographien vorgelegt – zu Mozart, Richard Strauss, zur Musik der Renaissance und, unter dem Titel «Der verborgene Sinn», eine gleichermaßen originelle wie bedeutende Studie über «Verhüllung und Enthüllung in der Musik». Um das, was uns die Musik zu bedeuten hat und...
Multitalent
Sie ist eine Frau, die weiß, was sie kann und was sie will. Und nie käme Dagmar Manzel auf die Idee, sich ihren Mund verbieten zu lassen. Offenheit ist für sie eine Tugend, und jene besonderen Gaben, die nötig sind, um das auf der Bühne zu zeigen, besitzt sie auch. Vor einigen Jahren hat sie sich der Oper zugewandt, zunächst als Sängerin, nun auch als...
Die Tragédie en musique «Castor et Pollux» von Jean-Philippe Rameau gehört zu den populärsten Werken des großen Franzosen. Teodor Currentzis und Peter Sellars wählten für ihre Neuproduktion im Palais Garnier die erste, umfangreichere Fassung von 1737. Die fast Wagner’sche Länge dieser Version erlaubte es den Interpreten, sämtliche Facetten von Rameaus zwischen...