Im Schlachthaus

Verdi reloaded: Lydia Steier zeigt «Aida» in Frankfurt als ein Kammerspiel über zynischen Machtmissbrauch, Elisabeth Stöppler verwandelt «Macbeth» am Theater Bremen in ein feministisches Manifest

Opernwelt - Logo

Rauchen, das weiß ein jedes Kind, ist ungesund. Aber stört das einen Oberpriester, der in direktem Kontakt mit der höchsten Instanz steht? Natürlich nicht. Also raucht Ramfis, dem Andreas Bauer Kanabas mit seinem markanten, grabesdunklen Bass furchterregende Präsenz leiht, eine nach der anderen.

Scheint nicht gut drauf zu sein, der Mann, der natürlich auch kein Oberpriester ist (schließlich sind wir in Frankfurt, wo die «Aida» seit der legendenumrankten Inszenierung von Hans Neuenfels 1981 jedwede Spiritualität lässig abgeschüttelt hat und Lydia Steier nun gleichsam in seine Fußstapfen tritt, um die Revolution der Verdi-Rezeption fortzusetzen), sondern ein Herr im Smoking samt Rose im Revers, allerdings mit erheblichem Suchtpotenzial. Kaum ist ein Glimmstängel verglüht, zieht er schon die nächste Droge aus seinen Taschen (wir vermuten: ein Aufputschmittel in Tablettenform) und schiebt sie sich zwischen die Zähne.

Die Inszenierung gibt der Figur weit mehr Raum, als sie im Original hat. Das aber mit gutem Grund. Der König von Ägypten (Kihwan Sim) ist ein todkranker Mann, dem zwei Assistentinnen unter die Arme greifen müssen, damit er sich überhaupt fortbewegen kann; er hat kaum noch ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Februar 2024
Rubrik: Im Fokus, Seite 8
von Jürgen Otten

Weitere Beiträge
Traumschön

Und kein Traum ist völlig Traum», so heißt es doppeldeutig in Arthur Schnitzlers «Traumnovelle». Dieselbe Assoziation stellt sich beim Betrachten des CD-Covers ein, vermittelt über «Eyes Wide Shut», Stanley Kubricks filmischen Schwanengesang auf Schnitzlers Spuren. Denn es zeigt Karine Deshayes und Jérôme Correas mit geschlossenen Augen, als träumten sie Mozarts...

Wenn die Zeit stillsteht

Es gibt ein paar Regeln des Betriebs, die bei Adriana González sogleich außer Kraft traten. Eine davon lautet, dass es für junge Sängerinnen und Sänger gut ist, sich zunächst in einem Ensemble zu entwickeln, Sicherheit zu bekommen. Eine andere, die damit zusammenhängt, lautet, dass es für junge Sängerinnen und Sänger gut ist, das Repertoire nicht hektisch, aber...

O Wort, das mir fehlt!

Als am Ende der Bonner Aufführung von Arnold Schönbergs biblischer Oper «Moses und Aron» die letzten Streichertöne verklingen, das Licht auf der Szene erlischt, der Vorhang sich schließt und, bevor der erlösende Beifall losbricht, mehrere Sekunden lang beklommenes Schweigen herrscht, gibt es wohl kaum einen Zuschauer, dem nicht die Verzweiflung des in sich...