Im Puppenheim Deutschland
Für Hugo von Hofmannsthal und Richard Strauss war es ein Terror der Seele, der die traumatisierte, um ihren ermordeten Vater Agamemnon trauernde Elektra zur unversöhnlichen Rache antreibt. Für den Regisseur Paul-Georg Dittrich ist es ein blutiger Terror, der aus dem noch immer faschistoid kontaminierten Deutschland kommt.
Dittrich weitet den von Hofmannsthal und Strauss psychologisch unterfütterten antiken Stoff zu einem bildgewaltigen, multiperspektivischen Opernessay – einer von seinem Ausstatter Christoph Ernst im XXL-Format visualisierten historischen Zeitreise, die vom Kaiserreich über die Nazidiktatur und den 68er-Aufbruch bis zu den NSU-Morden, von Wilhelm II. über Hitler bis zu Angela Merkel und Beate Zschäpe reicht. Der «Tatort» Familie wird zum politischen «Tatort» Deutschland.
Das Spiel beginnt, noch ehe die Musik einsetzt, vorm monumentalen Portal des von den Nazis erbauten «Hauses der Deutschen Kunst», öffnet sich zu einem vom überlebensgroßen Dirigenten Strauss überragten prunkvollen Theatersaal, der auf der kreisenden Drehbühne weitere, oft gleichzeitig bespielte Räume freigibt. Da sehen wir im Zentrum einen Salon, in dem ein uniformierter Vater seinen Sohn ...
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Opernwelt Februar 2023
Rubrik: Panorama, Seite 33
von Uwe Schweikert
Um diesen Krieg der Königinnen stimmlich angemessen (und) überwältigend in Szene zu setzen, braucht es zwei Belcanto-Kaliber von annähernd identischer Strahlkraft. Zwar ist die titelgebende Maria Stuarda offiziell Donizettis Prima Donna, Elisabetta nur die Seconda, und offenbaren legendäre Besetzungen der Vergangenheit einen gewissen Prominenzvorsprung für die...
Bereits im Vorwort seines berührenden Buches aus dem Jahr 2007 stellt Alexander Kluge klar, dass es ihm bei den 120 «Geschichten vom Kino» um das «Prinzip Kino» gehe, also um den erweiterten Begriff der Kunstgattung. Er halte dieses «Kino», schreibt Kluge, «für unsterblich und für älter als die Filmkunst», weil es auf einem zeitlosen Prinzip beruhe – darauf...
Der Teufel hol’ den deutschen Kontrapunkt!», so fluchte Richard Strauss einmal ironisch. Aber nicht bloß in der Partitur der «Meistersinger von Nürnberg» seines Vornamenskollegen regiert im Stimmengeflecht der ausdrucksvolle Widerpart. Auch szenisch versteht sich Regisseur Keith Warner darauf. «Wach auf!» schmettert der Chor etwa als Huldigung an Hans Sachs – doch...