Im falschen Gewand

Bellini: Norma an der Oper Leipzig

Opernwelt - Logo

Recycling ist zweifellos eine gute Sache. Und statt Fast-Fashion-Shopping zu betreiben, sollte man von Zeit zu Zeit mal den eigenen Kleiderschrank durchforsten. Doch was für die private Garderobe gilt, empfiehlt sich nicht unbedingt für die Ausstattung einer Oper. 2021 sollten «Die Barbaren» von Camille Saint-Säens an der Oper Leipzig herauskommen. Die Produktion fiel der Corona-Pandemie zum Opfer, Bühnenbild und Kostüme für die riesig besetzte Aufführung waren zu diesem Zeitpunkt aber bereits fertig.

In der Inszenierung von Anthony Pilavachi wurden sie nun kurzerhand Vincenzo Bellinis «Norma» übergezogen. Trotz einiger Anpassungsversuche der Kulissen an den neuen Stoff fühlte man sich angesichts dieser radikalen Recycling-Praxis zeitweilig wie im falschen Stück.

Der Regisseur verlegte das Operndrama aus dem von den Römern besetzten Gallien des 1. Jahrhunderts v. Chr. in die Zeit des Ersten und des Zweiten Weltkrieges. Auf einer hohen Mauer leuchtet ein blutroter Schriftzug: «Fuori i fascisti!» (Faschisten raus!). Davor patrouillieren Männer in blauen Uniformen – unschwer zu erkennen als französische Soldaten aus dem Ersten Weltkrieg. Die römischen Besatzer hingegen tragen die ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Februar 2025
Rubrik: Panorama, Seite 35
von Silvia Adler

Weitere Beiträge
Lauter Liebesdiskurse

Es mag seltsam anmuten, doch gerade in seinem Sehnsuchtsland, dort, wo die Zitronen blühen, fand sich – mit Ausnahme Ferruccio Busonis, der aber eine heftige Neigung zu Deutschland empfand – kein bedeutender italienischer Komponist des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts, der Goethes Schauspiele, Dramen oder Gedichte in Töne setzen wollte. Sie alle, sei es Bellini...

Bluthochzeit

Nein, der Mond scheint hier nicht über Judäa. Weder am Anfang, wenn er im Original als seltsame Scheibe am freitonalen Firmament auftaucht und den wunderschön singenden Narren Narraboth (Denzil Delaere) in seiner nachgerade idiotischen Verliebtheit anstrahlt, noch am Ende, wenn er aus dem grellen Cis-Dur-Tremolo hervorbricht und die Prinzessin beleuchtet, kurz...

Sternstunde

Der Sturm tobt nur außen. Was gut ist. Man möchte ihn wirklich nicht erleben. Dazu lässt es das Philharmonische Orchester Ulm ordentlich krachen, blitzen und donnern. Es ist ein kosmischer, apokalyptischer Orkan, der alles und jeden wegfegt. Die Menschen haben sich in eine Schutzzone zurückgezogen, einen von Neonlicht erleuchteten Betonraum zwischen Bunker-Anmutung...