Herunter vom Podest
Frau Schäfer, szenische Annäherungen an Schuberts «Winterreise» haben derzeit Hochkonjunktur. Sie haben die vierundzwanzig «schaurigen Lieder» in einem Duisburger Industriebau gesungen. Worin besteht für Sie der dramatische Impetus dieses Zyklus?
Ich finde, dass die «Winterreise» gar nicht so schaurig und tragisch ist, wie immer behauptet wird. Natürlich ist der Abschied des Erzählers aus seiner vertrauten Lebenswelt schmerzlich, aber er geht aus freien Stücken. Es sind nicht die anderen, die ihn fortschicken, er entscheidet, alles hinter sich zu lassen.
Hier spricht ein Mensch, der nicht in die Gesellschaft passt, in die er hineingeboren wurde, und der irgendwann auch nicht mehr dazugehören will. Er ist eher ein Verlassender als ein Verlassener, eine autarke Persönlichkeit. Das ist für mich ein entscheidender Aspekt, der meist unter den Tisch fällt.
Können Sie den künstlerischen Mehrwert beschreiben, den Sie mit einer Darbietung unter Videobildern, auf der «Bühne» eines Boxrings verbinden?
Indem zum Beispiel auf den Videoleinwänden Menschen von heute zu sehen waren, entstand sozusagen eine Beziehung zwischen den beinahe zweihundert Jahre alten Texten Wilhelm Müllers und unserer ...
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Opernwelt Februar 2005
Rubrik: Thema: Szenische Liederabende, Seite 34
von Albrecht Thiemann
Frau Jahns, Sie haben bereits Ende der achtziger Jahre in Dresden Schumanns «Liederkreis» auf die Bühne der Kleinen Szene gebracht. Damals war die Idee, Lieder als Mini-Opern zu interpretieren und zu visualisieren, etwas Neues. Was hat Ihr Interesse an szenischen Liederabenden ursprünglich motiviert?
Ich hatte eigentlich schon immer den Wunsch, mich beim Singen zu...
Mit der 1928 in Wien herausgebrachten «Herzogin von Chicago» lag Emmerich Kálmán im Trend. Die klassische europäische Operette war klapprig geworden, kein Wunder nach den vielen Champagnerexzessen. Der jüngere Vetter aus Amerika, das Musical, drohte sie über den Haufen zu rennen. Da kam eine Frischzellenkur wie dieser in Gesang und Tanz ausgetragene «Kulturkampf»...
Das Spektrum ist groß. Immens groß. Es reicht von Loïe Fullers innovativem Tanz um 1900 bis zu dessen Vereinnahmung durch das Video, von Hindemiths Einaktern bis zu modernen Blinden- und Gerhörlosenstücken. Das experimentelle Musik- und Tanztheater des 20. Jahrhunderts auf knapp 400 Seiten zu einer Art Handbuch zu verknappen, ist so schwierig, wie den Kölner Dom...