Großes Musiktheater als Heimkino
Seit dem Wiederaufbau des abgebrannten Hauses (1999) sucht das Gran Teatre del Liceu in Barcelona wieder in der Ersten Liga der internationalen Opernhäuser mitzuspielen. Einige jetzt auf DVD veröffentlichte Aufführungen sind da durchaus Erfolg versprechend, auch wenn es sich zumeist um eingekaufte Produktionen handelt.
Rossinis Krönungsoper «Il viaggio a Reims», die, anlassbedingt, nach nur wenigen Vorstellungen vom Spielplan verschwand und später vom Komponisten im «Comte Ory» in großen Teilen recycelt wurde, interessiert in jüngster Zeit die Theater und Regisseure wieder neu, obwohl oder gerade weil es sich dabei gar nicht um eine richtige Oper handelt, eher um eine abendfüllende szenische Kantate bzw. eine große Nummernrevue. Nach Luca Ronconi (Wien) und Dario Fò (Stockholm) hat sich in Barcelona Sergi Belbel des Stücks angenommen, ohne seinen Regie-Ehrgeiz allzu hoch zu schrauben (siehe OW 5/2003). Er zelebriert den Stillstand der Nichthandlung (internationale Kurgäste warten auf die Abreise nach Reims, die dann gar nicht stattfinden kann, und vertreiben sich die Zeit mit Gesang und Liebeshändeln), mischt sie mit einigen hübschen Einfällen auf (am schönsten die Parodie des ...
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Friedrich Nietzsche hat den stilistischen Sonderstatus von Georges Bizets «Carmen» wohl als Erster metaphorisch auf den Punkt gebracht: «Diese Musik ist heiter», schrieb er 1888, dreizehn Jahre nach der skandalumwitterten Uraufführung an der Pariser Opéra Comique, «aber nicht von einer französischen oder deutschen Heiterkeit. Ihre Heiterkeit ist afrikanisch; sie...
Oper, so besagt eine schöne und deshalb viel benutzte Formel von Alexander Kluge, ist ein «Kraftwerk der Gefühle». Das Schönste an dieser Formel ist, dass sie das Moment des Aktiven hervorhebt. Oper frisst nicht nur Gefühle, sie wälzt sie auch um und vor allem: Sie produziert sie. Kurz, es geht um einen Energiekreislauf, für dessen Funktionieren allerdings jeder...
Dass Großbritannien ein Paradies für Exzentriker jedweder Couleur sei, ist keineswegs bloß ein wohlfeiles Klischee. Wohl in keinem zweiten Land der Alten Welt werden private Marotten, bizarre Gebräuche und Umständlichkeiten im öffentlichen Leben mit einer so weitherzigen, selbstverständlichen Toleranz bedacht (und zum Gegenstand eines erfrischend selbstironischen...