Grenzenlos schön
Eine Stimme, die singt – nichts weiter. Aber was und wie sie singt, verführt in Luciano Berios abstrakt-wortlosem akustischem Theater «Sequenza III» den Hörer. Töne entstehen aus Mundgeräuschen, verschwinden, überlagern sich, die Palette der Laute reicht vom Stöhnen und Keuchen, Lallen und Schnalzen, Flüstern und Schreien, Lachen und Weinen bis zum Sprechen und Singen. Berio hat diese Anti-Vokalise, die in der Befreiung der Stimme alle nur denkbaren phonetischen Artikulationsarten durchspielt, einst der exzentrischen Cathy Berberian auf den Leib komponiert.
Jetzt singt sie die phänomenale französische Mezzosopranistin Lucile Richardot – ganz anders, aber nicht weniger faszinierend und atemberaubend mit ihrem fast transsexuellen Timbre und ihrer vibratoarmen, an der barocken Aufführungspraxis geschulten Stimmführung. Was bei Berberian einen Hauch von Camp besaß, wird bei Richardot zum Grenzgang zwischen alter und neuer Musik, Monteverdi und Elektronik, Poesie und Banalität. Noch einen Schritt weiter geht sie, ganz im Sinne des Komponisten, in «O King», Berios Hommage an den 1968 ermordeten schwarzen US-Bürgerrechtler Martin Luther King. Hier wird die Stimme, die sich völlig ins ...
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Opernwelt September/Oktober 2021
Rubrik: CD des Monats, Seite 53
von Uwe Schweikert
Wenn ein «Rheingold»-Mime nur sein «Nehmt euch in acht! Alberich naht» singen darf, wenn Donner und Froh gestrichen, die Nibelungen mit einem einzigen Schrei vom Band präsent und alle Szenen so drastisch gekürzt sind, dass dramaturgisch und musikalisch nur mehr teils abrupt aufeinander folgende Kernstücke übrig bleiben, dann muss wohl in den Tiefen des Rheins, den...
Frau Davidsen, im vergangenen Jahr wurden zum ersten Mal in der Nachkriegszeit die Bayreuther Festspiele abgesagt, Ihr Sieglinden-Debüt verschob sich, die «Tannhäuser»-Reprise ebenfalls. Dieses Jahr sind Sie zurückgekehrt auf den Grünen Hügel, aber es muss eine ganz andere Erfahrung gewesen sein als 2019.
Natürlich, die Hygieneauflagen sind streng. Wir werden...
Herr Karaman, der Schriftsteller und Dramatiker Peter Hacks schreibt in seinem wunderbaren Buch «Marxistische Hinsichten», Kunst sei nicht für die Utopien zuständig, sondern für die realistische Darstellung der Welt; man müsse zeigen, was ist. Ist das eine Idee, mit der Sie etwas anfangen können?
Unbedingt! Das ist mir sogar sehr nahe. Denn die Arbeit am Theater...