Nachtgestalten, nackt

Sehenswert: der Opernfilm «Im Stein» nach dem gleichnamigen Musiktheater von Sara Glojnarić und Clemens Meyer

Dass der Leipziger Autor Clemens Meyer ein schrill-schräger und ziemlich schlauer Typ ist, weiß jeder, der seine Romane gelesen hat. Dass er nun aber auch eine Karriere als Moderatorin eines durch den Äther gleitenden Raumschiff-Senders eingeschlagen hat, das war bislang unbekannt. Lady Ecki nennt sich die freche Plaudertasche im plastikgoldenen Kleid und mit wasserstoffblonder Perücke, doch Vorsicht scheint hier geboten: Alles, was die aufgedonnerte Dame in ihrem «Space Radio» von sich gibt, ist von stupender politischer Würze.

Lady Ecki meint es ernst, da kann sie noch so anzüglich grinsen, dumm tun und schlechtes Englisch sprechen.

Doch noch einmal zurück zum Schriftsteller Meyer. Sein Roman «Im Stein» beschreibt die Suche eine Generation nach dem Sinn des Lebens, nachdem die Politik beschlossen hat, dass der Kapitalismus nun auch in der vormals realistischen DDR die dominierende Staatsform ist und nicht mehr länger Ideale die Welt regieren, sondern der Gott des Mammons. Meyer zeigt uns diese Suchenden als einen Chor aus Nachtgestalten, die übers Pflaster irren, im Gepäck nichts als ihre angekratzte Identität, und sich dabei mehr und mehr in Phantasmagorien verlieren. Ein ...

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Opernwelt September/Oktober 2021
Rubrik: Magazin, Seite 101
von Jürgen Otten

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