Nachtgestalten, nackt
Dass der Leipziger Autor Clemens Meyer ein schrill-schräger und ziemlich schlauer Typ ist, weiß jeder, der seine Romane gelesen hat. Dass er nun aber auch eine Karriere als Moderatorin eines durch den Äther gleitenden Raumschiff-Senders eingeschlagen hat, das war bislang unbekannt. Lady Ecki nennt sich die freche Plaudertasche im plastikgoldenen Kleid und mit wasserstoffblonder Perücke, doch Vorsicht scheint hier geboten: Alles, was die aufgedonnerte Dame in ihrem «Space Radio» von sich gibt, ist von stupender politischer Würze.
Lady Ecki meint es ernst, da kann sie noch so anzüglich grinsen, dumm tun und schlechtes Englisch sprechen.
Doch noch einmal zurück zum Schriftsteller Meyer. Sein Roman «Im Stein» beschreibt die Suche eine Generation nach dem Sinn des Lebens, nachdem die Politik beschlossen hat, dass der Kapitalismus nun auch in der vormals realistischen DDR die dominierende Staatsform ist und nicht mehr länger Ideale die Welt regieren, sondern der Gott des Mammons. Meyer zeigt uns diese Suchenden als einen Chor aus Nachtgestalten, die übers Pflaster irren, im Gepäck nichts als ihre angekratzte Identität, und sich dabei mehr und mehr in Phantasmagorien verlieren. Ein ...
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Opernwelt September/Oktober 2021
Rubrik: Magazin, Seite 101
von Jürgen Otten
Robert Wilson
Damals, im Sommer 1976, geschah der Musiktheater-Umsturz: Robert Wilson, 34-jähriger Texaner, präsentierte in Old Europe eine Kreation mit dem rätselhaft absurden Titel «Einstein on the Beach», die Minimal Music dazu lieferte der Amerikaner Philip Glass. Das Stück hatte von Avignon aus Furore gemacht, mit Gastspielen in einigen Theatermetropolen....
Wirklich furchterregend ist das Biest, das da, aus der Bühnentiefe des Festspielhauses geschlüpft, über einen hinwegbraust, auf mächtigen Schwingen, mit grünem Schuppenkleid und einem Maul voll gezackter Zähne, aus dem Feuerstrahlen schießen. Wie sich halt Richard Wagner seinen Drachen dachte, der schon zur Uraufführung des «Siegfried» nur unvollständig realisiert...
An der Wende zum 20. Jahrhundert entdeckte auch Italien die Tiefen des Russischen Reichs. Kurz vor dem Erfolg der «Ballets Russes» in Paris waren Dostojewskis und Tolstois Romane übersetzt worden. Nicht viel hätte gefehlt und die erste Oper mit dem Titel «Aus einem Totenhaus» wäre nicht 1928 von Janáček, sondern von Puccini oder dem neun Jahre jüngeren Giordano...