Grausames Märchen
Vorsicht, superaktuelle Inszenierung! – ein taubenblauer PKW-Oldie thront zu Beginn im Vorgarten des bescheidenen Landhauses, als trügerische Idylle, kleinbürgerliches Sehnsuchtsobjekt für die blendend gelaunte Familie Trulove. Der erste Akt von Strawinskys «The Rake’s Progress» spielt sich in der Leipziger Inszenierung Damiano Michielettos mitten in diesem quietschbunt-adrett zurechtgestutzten Garten ab (Bühne: Paolo Fantin), mit Autowaschen und Rasenmähen als Lebensziel.
Die Trulove-Familie mit Vater und Tochter Anne sowie deren flattrigem Liebhaber Tom Rakewell entspringt hier der spießigen Welt einer Karikatur von Freizeit- und Spaßgesellschaft, der auch die grell-trivialen Klamotten entstammen (Carla Teti).
Aber da war ja noch beim Start, mit der von Monteverdi geklauten Toccata-Fanfare, der Varieté-Glitzervorhang aus bühnenhohen Stanniolstreifen: Er demonstriert sozusagen die Stilmixturen des Stücks, die absurd gleißende, aus allen Elementen der Operngeschichte fabrizierte Kunstwelt des späten Musiktheaters eines fast siebzigjährigen Komponisten, der das Stück 1951 in Venedig aus der Taufe heben ließ, dort also, wo er auf der Friedhofsinsel San Michele begraben liegt. Die ...
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Opernwelt Juni 2014
Rubrik: Panorama, Seite 42
von Wolfgang Schreiber
Dresden, die Strauss-Stadt. «Feuersnot», «Elektra», «Salome», «Der Rosenkavalier» – sie alle sind hier uraufgeführt worden. Dirigiert von Ernst von Schuch, Strauss’ Leib- und Seelendirigent. Schuch hatte ein Haus zehn Kilometer abseits der Semperoper, in Radebeul, zwischen Weinbergen und Elbstrom. Gleich neben dem Gasthof Goldene Weintraube. Heute steht hier das...
Am 2. Februar 1990 mittags saßen wir im Büro von Angelo Gobbato, dem Direktor der Capetown Opera, um ihn für «Opernwelt» zu interviewen. Und hörten Radio. Denn F. W. de Klerk, der damalige Staatspräsident Südafrikas, hielt jene historische Rede, in der er die Freilassung Nelson Mandelas, die Aufhebung des Verbots des Afrikanischen Nationalkongresses und das Ende...
Rimsky-Korsakows «Legende von der unsichtbaren Stadt Kitesch» ist eine Art Testament. Insofern liegt der Vergleich mit Wagners «Parsifal» nahe, der aber in die Irre führt. Außer ein paar feierlich-liturgischen Szenen haben die beiden Werke wenig gemeinsam. Eher wäre «Kitesch» mit «Aus einem Totenhaus» zu vergleichen, einem anderen künstlerischen Testament. Janáceks...
