Gerundet und doch ganz schön eckig

Aufstieg und Fall eines angejahrten Werks: Pierre Audi führt in Brüssel den von Romeo Castellucci begonnenen «Ring» zum Abschluss – solide, mit Sinn fürs Dekorative und passend zur musikalischen Lesart von Alain Altinoglu

Opernwelt - Logo

Bei allem gebotenen Ernst: Das hier einmal ausgesprochen physisch dargebotene Schlussgerangel um den Ring, in dessen Verlauf die Rheintöchter Hagen buchstäblich niederringen, ist dann doch ziemlich lustig. Hin und her geht es. Hagens «Zurück vom Ring!», immerhin die letzten Worte des Stücks, bleiben folgenlos, wie ja generell das vielleicht sinnvolle Abstandsgebot für «Ring»-Projekte kaum eingehalten wird: Ein Haus, das auf sich hält, will einen haben, und zwar komplett, auch wenn noch mitten in der Arbeit der Regisseur abhanden kommt.

So geschehen dem Intendanten Peter de Caluwe in Brüssel. Die Entscheidung fiel fürs Weiter- und Fertigmachen. Auf Romeo Castelluccis assoziationsreiche, rätselvolle, oft schon lichttechnisch dunkle Anfänge folgte Pierre Audi;  dieser stieg mit «Siegfried» ein und führte die Sache nun in seinem Sinn zu einem offenen Ende. Kaum haben die Rheintöchter dem hünenhaften und wirklich gewaltig grimmigen Hagen (Ain Anger) den machtgebietenden Funkelring entwunden, reckt ihn eine der Damen triumphal in die Höhe. Die gleiche Geste gab es schon, als Brünnhilde sich während der Trauermusik des Reifs bemächtigt hatte. Vielleicht lässt das auf eine skeptische ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt April 2025
Rubrik: Im Focus, Seite 22
von Holger Noltze

Weitere Beiträge
Alkohol, Punk, Rebellion

Mach dich doch selbst kaputt, bevor es jemand anders tut!», heißt es in einem Song des Punk-Pioniers Dieter «Otze» Ehrlich. Er selbst beherzigte dieses Motto bis zum Exzess. Vor 20 Jahren starb der Bandleader von «Schleimkeim» an Herzversagen. Sein früher Tod ist der tragische Schlusspunkt einer lebenslangen Rebellion. 1964 im Erfurter Ortsteil Stotternheim...

Klonbackmaschine

Eines kann man dem Duo Alexandra Szemerédy und Magdolna Parditka gewiss kaum vorwerfen: dass sie ihr Konzept nicht beinhart durchziehen würden. Auch der dritte Teil ihres «Rings» verlegt das Bühnenwerk komplett in jenes mehrgeschossige Labor, in dem blonde oder blondierte Götter, Nachtalben, Menschen und Klone seit vielen Opernstunden an Fortpflanzungsgeschichten...

Dieses obskure Subjekt der Begierde

Treffen sich zwei. Sie, eine ausgehungerte, nach (körperlicher) Liebe dürstende Frau, deren Leben aus Ennui und gemeiner Unterdrückung besteht. Er, eine Art lisny celovek, ein armer, in der sozialen Hierarchie weit untenstehender Tropf, dessen einziges Vergnügen in erotischer Vergiftung besteht. Wie zwei magnetisch aufgeladene Monaden prallen Katerina Ismailowa und...