Gelegenheit zum Staunen
Als «einziger Elefant» wollte sie nicht übrigbleiben, erklärte sie vor einigen Jahren in einem Interview. Es habe einfach keine Kollegen mehr «auf diesem Niveau» gegeben. So begründete Grace Bumbry ihren Rückzug von der Bühne: selbstbewusst, direkt, vielleicht eine Spur divenhaft. Vor allem aber angstfrei. Eine Haltung, mit der sie sich einst auch gegenüber Herbert von Karajan behauptete. Der zeigte sich einer berühmten Anekdote zufolge befremdet vom Lamborghini seiner Carmen.
Doch die bot ihm einfach den Sitz hinterm Steuerrad an – und siehe da: «Danach waren wir gute Freunde.»
Grace Bumbry konnte sich das erlauben angesichts dieser Karriere, dieses Standings. Wobei: Das mit dem Aufhören war nicht so einfach. 1997 hatte sie ihren Bühnenabschied verkündet, um dann für Recitals immer wieder schwach zu werden – und schließlich 2010 ein spektakuläres Comeback zu riskieren, als Monisha in Scott Joplins einziger Oper «Treemonisha». Aber die Reise ging noch weiter. An der Deutschen Oper Berlin trat sie als Old Lady in einer konzertanten Aufführung von Bernsteins «Candide» auf, im Januar 2013 als Gräfin in Tschaikowskys «Pique Dame» an der Wiener Staatsoper. Was folgte, waren viele ...
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Opernwelt Juli 2023
Rubrik: in memoriam, Seite 62
von Markus Thiel
Stille Nacht. Aber keine heilige. Eher eine traurige. Schon jene fünf Akkorde, mit denen Schuberts Lied «Der Doppelgänger» auf Verse von Heinrich Heine anhebt, verraten viel über die Stimmungslage des einsamen Wanderers, wie wir ihn (und sein meist leises Flehen) schon aus der «Winterreise» kennen. Die Liebste ist unerreichbar fern, das Leben ein einziger...
Ein Mann zieht Resümee. Er ist 87, hat fast alles erlebt auf der Bühne, die manchmal auch die Bühne des Lebens ist – als Schauspieler, Regisseur, Intendant, Pädagoge und als Mensch. Nun blickt er zurück, und es ist ein Blick nicht im Zorn, sondern beinahe der des Philosophen Seneca aus Monteverdis «L’incoronazione di Poppea»: mild lächelnd, epikureischweise, ein...
Michael Spyres begeistert und verzückt die Opernwelt seit vielen Jahren. Seine Stimme schwingt sich scheinbar mühelos in höchste Höhen auf, Koloraturen sprudeln nur so aus ihm heraus, Langstreckenopern wie Meyerbeers «Les Huguenots» oder Rossinis «Guillaume Tell» in der Urfassung bewältigt er mit nie versiegender Energie. Das Repertoire des 1979 geborenen Sängers...