Gebrochenes Vertrauen
In Mozarts Musik gibt es Momente einer unwirklich überwirklichen Hoffnung. Ebenso unwirklich und überwirklich wie die Situation, in der ich sie im vergangenen Jahr, nach viermonatiger Schließung der Konzertsäle und Opernhäuser, erstmals wieder hörte, in «Così fan tutte» bei den Salzburger Festspielen. Man hatte etwas riskiert, in einer unüberschaubaren Lage – die man damit für ganz Europa ins Fließen brachte. Wenig später saß ich im fast voll besetzten Basler Stadtcasino, Anfang September beim ersten Chorkonzert nach dem Lockdown im Konzerthaus Dortmund.
Thomas Hengelbrock dirigierte dort Joseph Haydns «Schöpfung»: in einer Weise grundsätzlich, wie das wohl nur nach großen Einschnitten möglich ist. Am Ende musste nicht nur der Dirigent die Tränen verbergen.
Was danach kam, werde ich ebenso wenig wieder vergessen wie diese Aufführung: die erneute, längere Schließung, die alle Erkenntnisse ignorierte. Es interessierte die Regierenden in halb Europa nicht, dass sich unter zehntausenden Besucherinnen und Besuchern nachweisbar niemand angesteckt hatte. Es interessierte sie auch nicht, als das kecke Konzerthaus Dortmund im Januar eine Studie vorlegte, warum das physikalisch bei halb ...
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Opernwelt Jahrbuch 2021
Rubrik: Umfrage Kritikerstatements, Seite 132
von Michael Stallknecht («SZ», «NZZ», München)
Ja, manchmal bringt es mich schon um den Schlaf, wenn ich nachts über die Situation der Kunstform Oper nachdenke. Hat die Pandemie problematische Entwicklungen noch zugespitzt? Was hat die Saison 2020/21 gebracht? In Erinnerung bleibt das wilde Glücksgefühl, als nach erstem Lockdown der Vorhang tatsächlich hochging und Musiktheater wieder live zu erleben war....
Die zurückliegende Opernspielzeit machte das Besondere des eigentlich Normalen für jeden greifbar: Live produzierte und rezipierte Bühnenkunst ist durch keine noch so ausgefeilten Online-Angebote wirklich zu ersetzten. Es ist ein Trost, dass einige der großen Häuser jede Möglichkeit, die ihnen die Pandemiebekämpfung erlaubte, offensiv nutzten, um für das Publikum...
Lange noch dürfte sie in Erinnerung bleiben, diese überlange Spielzeit der Einschränkungen und Absagen, des Ausweichens, Umplanens und der Entschleunigung. Hinter uns liegt eine Phase oft ungewohnter Seh- und Hörerfahrungen, der Entzugserscheinungen und Ersatzhandlungen, der immer wieder neuen Hoffnungen oder Vertröstungen. Und ein Ende ist nicht wirklich in Sicht.
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