Für Jäger und Sammler

Andreas Stoehr gräbt Glucks «Ezio» aus, Andreas Scholl betört als Giulio Cesare

Opernwelt - Logo

Paul McCreesh gab anlässlich seiner Einspielung von «Paride ed Elena» jüngst der Hoffnung Ausdruck, Gluck möge in zehn Jahren so beliebt sein wie Händel heute. Tatsächlich erlebt der Opernreformator auf Bühnen, Symposien und CD wieder einmal ein Hoch in seiner höchst wechselhaften Konjunkturkurve. Da passt es zum Trend, dass sich Ale­xander Stoehr und die Neue Düsseldorfer Hofmusik mit dem Prager «Ezio» von 1750 nun auch dem «vorreformatorischen» Gluck zuwenden.

Opernfreunde, die sich für das weite Feld der Selbstentlehnungen interessieren, werden vor allem an Massimos verführerischer Tenor-Arie «Se povero il ruscello» ihre Freude haben. Gluck hat sie zwölf Jahre später aus dem Korsett achttaktiger Perioden und allzu einfacher Kadenzharmonik befreit und als Ballett der seligen Geister im «Orfeo» wieder verwendet. Im «Ezio» (nach dem auch von Händel vertonten Metastasio-Libretto) ist sie einem scheinheiligen Intriganten in den Mund gelegt, der seinem Kaiser das Gift der Verleumdung ins Ohr träufelt. Zwischen Schein und Sein zog Gluck 1750 noch keine strenge Trennungslinie. Der Hörer sollte gemäß barocker Affektenlehre genauso auf Massimos Intrige hereinfallen wie der Kaiser. Mirko ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt November 2007
Rubrik: CDs, Seite 52
von Boris Kehrmann

Vergriffen
Weitere Beiträge
Liebe, Zank und Versöhnung

Alptraum oder Traum im antiken Athen? Auf dass der Nachschub an Kriegern funktioniere, sollte «mann» in jedem Fall zwei Frauen heiraten. Das zumindest behaupten – historisch wohl nicht ganz korrekt – Georg Philipp Telemann und sein Librettist Johann Ulrich ­König in ihrer 1721 in Hamburg uraufgeführten Oper «Der geduldige Sokrates». Also muss der Philosoph nicht...

Im Blaubartzimmer der Seelen

Claude Debussys einzige Oper gehört mehr als hundert Jahre nach ihrer Entstehung noch immer zu den großen Herausforderungen des Musiktheaters. Jossi Wieler und Sergio Morabito haben in ihrer zuletzt in Stuttgart gezeigten Inszenierung (siehe OW 6/2007) das am «Kreuzungspunkt von alltäglicher Rede und depressivem Schweigen» (Julia Kris­teva) an­gesiedelte Stück...

­Frische Blutzufuhr

Das Kunstlied hat es schwer im heutigen Konzertbusiness: eine kleine, intime, garantiert ­eventfreie Form, die feine Ohren und Seelenverständnis auf beiden Seiten des Podiums vo­raussetzt. Die Komplexität des Liedes erschließt sich Hörern wie Künstlern erst mit beharrlicher Anstrengung. Nichts ist einfach, und doch soll alles natürlich wirken. Und: Manche Stimme,...