Fremd sind wir uns selbst

Hans Thomallas Medea-Musiktheater, uraufgeführt an der Staatsoper Stuttgart

Opernwelt - Logo

Kann man dem Mythos von Medea, der über Jahrhunderte immer wieder musikalisch gedeutet wurde, noch eine eigene Lesart abgewinnen? Die Stuttgarter Uraufführung «Fremd» gibt als Antwort ein überraschend eindeutiges Ja. Hans Thomalla hat mit Grillparzers Trilogie «Das goldene Vließ» denselben Ausgangspunkt gewählt wie Aribert Reimann 2010 und schreibt – in der Nachfolge von Nono und Lachenmann – ein konzeptionelles Musiktheater, das mit dem Stoff zugleich dessen paradigmatische Bedeutung für die abendländische Kultur ins Zentrum rückt.



«Fremd» erzählt mehr als nur eine Liebesgeschichte mit tödlichem Ausgang. Es geht um die Konfrontation zweier einander entgegengesetzter Erfahrungs- und Ausdruckswelten: Natur und Begriff, Frau und Mann, autonomes Subjekt und logozentrische Vernunft. Die Texte hat Thomalla sich aus unterschiedlichen Vorlagen herausgebrochen, aber nicht im traditionellen Sinn vertont, sondern gleichsam musikalisch überschrieben.

Die erste Station zitiert, mit der «Argonautika» des hellenistischen Epikers Apollonios, den Raubzug der Griechen nach Kolchis: ein Heldenkatalog der wie aus einem Armeebericht namentlich verlesenen 32 Abenteurer, die von der Musik für Momente aus ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt August 2011
Rubrik: Im Focus, Seite 18
von Uwe Schweikert

Weitere Beiträge
Starke Frauen

Ganz auf sich zurückgeworfen sind die 16 Nonnen in «Dialogues des Carmélites». In ihrer Lebensweise, in der Entscheidung gegen die (Außen-)Welt, auch in der Wahl des Märtyrertums. Am Tiroler Landestheater wird das erst recht augenfällig, wo die Oper in fast provozierender Kargheit gespielt wird, die Charaktere und Schicksale überdeutlich hervortreten lässt. Fast...

Garsington Opera

Die Garsington Opera ist umgezogen: Ihr neues Zuhause ist das ausgedehnte Anwesen Wormsley in Buckinghamshire. Es gehört Mark Getty und liegt unweit der bisherigen Heimat des Festivals in Oxfordshire. Der britischen Hauptstadt ist man damit noch ein wenig näher gerückt. Wald und Park­anlagen bilden die malerische Kulisse, in die sich das neue Theater einfügt – ein...

Im Spiegelkabinett

Eugen Onegin» als Tragödie verfehlten Lebens­glücks: So sieht Stefan Herheim Tschaikowskys Szenenfolge, mit der er an der Nederlandse Opera im Rahmen des Holland Festivals debütierte. Das Concertgebouworkest mit seinen überirdisch schönen Hörnern saß im Graben, Mariss Jansons dirigierte. Eine Luxusbesetzung. Manches Bild schärfte die Ohren wie der vorher in dieser...