Fabelhafter Irrsinn
«Was für ein buntes Publikum!», ruft Feuerwehr-Käpt’n Shaw mit Blick auf die grauen Löckchen im Saal, wo – typisch Matinee! – schaler Kaffeeatem und weihrauchlastige Parfüms die Luft verdicken. «Ich sehe das Bürgertum – und die gehobene Mittelschicht. Ein wahrer Schmelztiegel!» Die Mittelschicht jauchzt entzückt. Bissiges für alle, Sarkasmus ohne Ende: Der Ton ist vorgegeben für Gilbert & Sullivans «Iolanthe» (1882) im Londoner Coliseum.
Augenzwinkernd entworfen ist auch die herrlich überzogene, kunsthistorisch anspielungsreiche Ausstattung des kürzlich verstorbenen Bühnenbildners Paul Brown. Auf den Soffitten leuchten Stock- und Pfingstrosen, zeigt ein Stieglitz seine rote Maske, als in zierlichen Blumen- und Käferkleidchen, mit glitzernden Flügelchen die Feen auf die Bühne trippeln. «Man kennt sie ja als zarte Kreaturen», warnte eben Käpt’n Shaw (Clive Mantle), «aber hier stehen nun mal Chordamen auf der Bühne.»
In «Iolanthe» geht es um eine Fee (in der Titelpartie die sonnige Samantha Price), die für ihre Hochzeit mit einem Menschen zum Tode verurteilt wird. Die Feenkönigin – Yvonne Howard gibt die walkürenhafte Matrone – mildert das Urteil zur Verbannung ab, unter der ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Opernwelt April 2018
Rubrik: Panorama, Seite 47
von Wiebke Roloff
Es beginnt mit der Aufforderung zum positive thinking, «Music for a while shall all your cares beguile»: Bekümmernisse vergessen und sich der Musik an den Hals werfen. Hat der Hörer dies getan, kann er, wenn er mag, die Geschichte einer Liebe erfahren, die ersten Wallungen, das Mit- und Gegeneinander von Freude und Zweifel, schließlich das triste Auseinandergehen....
Die Oper ist nicht nur der spektakulärste Genre-Mix der Kulturgeschichte, sondern darüber hinaus janusköpfig wie keine andere Kunstform. Zwar steht am Anfang der antike Mythos (Orpheus, Daphne), später bei Wagner der nordische, doch zugleich ist das Musiktheater immer auch exemplarischer Ort des politisch-sozialen, ästhetischen, technischen Fortschritts:...
Zwei musiktheatralische Kurztrips durch die Wüste: Die Uraufführung «A Wintery Spring» des in Deutschland eingebürgerten jordanischen Komponisten Saed Haddad und die eine mosaische Überlieferung behandelnde Karfreitagskantate «Il serpente di bronzo» (1730) des lange in Dresden tätigen böhmischen Barockkomponisten Jan Dismas Zelenka. Dem extravaganten Duo diente im...