Es geht immer ums Ganze
Herr Zehelein, fünfzehn Jahre Staatsoper Stuttgart unter Ihrer Leitung, das sind fünfzehn Spielzeiten gegen Event-Kultur und für einen künstlerischen Wahrheitsbegriff, der sich von Hegel ableitet und später von Adorno übernommen wurde. Es sind Impulse einer Selbstbefragung und Selbstverständigung: Oper als Bild und Gegenbild der Gesellschaft. Das hat Ihrem Stuttgarter Modell viel Ehre und Aufmerksamkeit gebracht, aber nachgeahmt wurde es eigentlich nie.
Gesellschaftliches Denken ist weniger denn je im Kurs, und viele Opernhäuser gehen, wie der Klassikmarkt, in ganz andere Richtungen. Fühlen Sie sich nicht irgendwo allein mit Ihrem Anspruch?
Nein, gar nicht. Ich denke, wir konnten durchaus Anstöße über Stuttgart hinaus geben, ohne dass wir dabei die Lehrmeister der Nation sein wollten. Entscheidend war, dass der Kunstwille bei unserer Arbeit eine zentrale Rolle spielte. Es war das Bemühen, Grenzen zu überschreiten. Und wenn so etwas gelingt, dann atmet man manchmal «Luft von anderen Planeten», um es mit Schönberg zu sagen. Es atmet sich auch einfach oft besser. Die Kraft dazu ist natürlich unterschiedlich. Es gelingt nicht immer. Es dürfte aber deutlich geworden sein, dass das, ...
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Opernwelt Jahrbuch 2006
Rubrik: Opernhaus des Jahres, Seite 10
von Stephan Mösch, Uwe Schweikert
Da gelo a gelo» – «Von Erstarrung zu Erstarrung» könnte man den Titel von Salvatore Sciarrinos jüngster Oper übersetzen. Es ist die dritte Bühnenarbeit dieses Komponisten, die bei den Schwetzinger Festspielen uraufgeführt wurde. Das Werk fußt auf dem Tagebuch der japanischen Dichterin Izumi Shikibu, die vor etwa tausend Jahren lebte. Sie gilt als die größte Poetin...
Schumann gilt, wie Brahms, als der undramatische Komponist schlechthin, als Meister der lyrischen Kleinform, dessen Begabung sich in der Klaviermusik und im Lied erschöpft. Schumann selbst empfand es, wie er 1842 an Carl Koßmaly schrieb, anders: «Wissen Sie mein Morgen- und abendliches Künstlergebet? Deutsche Oper heißt es. Da ist zu wirken.»
Schumann, dies macht...
Alceste ist tot, die Partie zu Ende. Die Protagonistin aber sitzt die letzten zehn Minuten der Aufführung noch an der Rampe: still, ohne zu singen, das ganze Drama um Leben und Sterben noch einmal rekapitulierend. Die kleinen Bewegungen ihres Kopfes, die Verschattungen des Blicks erzählen. Alceste blickt aus dem Jenseits zurück auf die Welt, auf Hoffnungen und eine...