Eötvös: Le Balcon
«Le Balcon», beschwor Jean Genet anlässlich der Uraufführung seines Schauspiels den Regisseur Roger Blin, solle nicht als Satire gespielt werden. Denn nicht literarische Absteige ist das Bordell der Madame Irma, sondern Großes Welttheater in Form einer «Verherrlichung der Erscheinung und der Spiegelung» (Genet).
Exakt dies hatte Péter Eötvös bei seiner Umformung des Stücks zum Musiktheater zu realisieren gesucht: ein witziges und zugleich seriöses Spiel mit Reflexionen der Unterhaltungsmusik des abgelaufenen Jahrhunderts, Jazz, Zirkus, Varieté.
Teatrum mundi als Cartoon quasi. Als «musikalische Schaumschlägerei» war dies von manchem Rezensenten bei der Uraufführung 2002 in Aix missverstanden worden. Nach der Freiburger Produktion von vor zwei Jahren vermochte nun auch die ungarische Erstaufführung (im originalen Französisch) in Budapest das Bild einigermaßen zu korrigieren. Dabei erwies der Komponist sich als vorzüglicher Advokat seiner selbst; das Symphonieorchester der Stadt Miskolc agierte unter seiner Leitung mit Verve und trockenem Witz.
Doch wie in Aix blieb auch hier die Szene hinter der Musik zurück. Die Inszenierung von Róbert Alföldi führte das Stück auf der sich ...
Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo
Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein

- Alle Opernwelt-Artikel online lesen
- Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
- Lesegenuss auf allen Endgeräten
- Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt
Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen
Anna Netrebko ist ganz genau, wenn es um die große Arie der Traviata geht. Sechzehntelpausen des «Ah fors‘è lui» dort, wo sie stehen, die Legatobögen, Akzente und dynamischen Stufen ebenfalls. Keine «Interpretation» versucht diese Aufnahme, sondern eine schlichte Ausführung des Notentextes. Maria Callas war da, ein halbes Jahrhundert vorher, freizügiger. Was sie...
Wer redet eigentlich von Michael Schade, wenn es um Anna Netrebkos Debüt als Donna Anna in Mozarts «Don Giovanni» bei den Salzburger Festspielen 2002 geht? Ohne die Zärtlichkeit und Intensität, mit der er als Don Ottavio vergebens um seine Braut kämpfte, aber auch ohne Martin Kusejs kühne Deutung von Liebesunfähigkeit und Todessehnsucht, ohne seine Darstellung...
Johann Sebastian Bach muss ein guter Vater gewesen sein. Obwohl er sich intensiv um die musikalische Bildung seiner Söhne kümmerte, scheint diese Früherziehung jedoch nie so weit gegangen zu sein, dass sie die individuelle Entwicklung seiner Sprösslinge gefährdet hätte: Während Carl Philipp Emanuel zur prägenden Figur des Sturm und Drang wurde, klingen die Werke...