Eklektizismus nach dem Lustprinzip
Pierre Boulez bezeichnete einmal die Vertonung von Gedichten als «Lektüre mit Musik». Das war durchaus polemisch gemeint, und dahinter steckte eine Frage: Wen interessiert es überhaupt, wenn ein Komponist seine Klänge über einen Text gießt, der ohnedies vollendet ist und seine eigene Wort-Musik macht? Zwischen Kopie, Verfälschung und Innovation sind da viele «Lektüre-Ergebnisse» möglich; das Gleiche gilt für die Vertonung von Schauspielen. Sie gelingen meist dann, wenn sich die Musik selbst behauptet, wie bei Strauss’ «Salome» oder Bergs «Wozzeck».
Auch die Musik des als britisches Junggenie hoch gehandelten Thomas Adès kann sich behaupten, was angesichts des «Sturm» einiges heißt. Sie behauptet sich nicht gegen Shakespeare, sondern quasi neben ihm: Da, wo Adès sich wenig um eine Ikone schert, sondern frech seine Klangassoziationen ausspielt, bleibt das Stück im Gedächtnis. Dazu gehört das aberwitzig schwere Lamento des Ariel, das Adès der aberwitzig virtuosen Koloratursopranistin Cyndia Sieden in die Kehle geschrieben hat: ein quasi akkordischer Satz, choralartig in sich ruhend auf gläsernen Klängen, durchzuckt von riesigen Intervallsprüngen. Überhaupt sind Lamenti eine Stärke des ...
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