
Killmayer: Sommersneige – Summer's End Wergo 7351 2 (CD); AD: 2016
Einzelgänger
Der im August 2017, einen Tag vor seinem 90. Geburtstag, verstorbene Wilhelm Killmayer war für die Avantgardisten in Darmstadt und anderswo lange der Fortschrittsfeind Nummer eins; seine mit klugen Argumenten untermauerte Skepsis gegenüber dem materialbezogenen Fortschrittsdenken machte ihn in ihren Augen zum einem störrischen Grantler aus dem fernen Bayern, der sich quer zum Zeitgeist stellte.
Seine Klavierlieder aus den Jahren 1983-96 auf Texte von Hölderlin, Eichendorff und Trakl – die letzten beiden liegen nun als Ersteinspielung vor – sind zwar bereits in der grenzenlos toleranten Hochphase der Postmoderne entstanden, doch zeigt sich hier das einstige Provokationspotenzial seiner Musik noch einmal in aller Deutlichkeit.
Die romantische Welt Eichendorffs wird mit syllabisch einfacher Diktion und einer minimalistischen Klavierbegleitung beschworen, die vielen Pausen dienen als Resonanzraum für das gesungene Wort. Vor verbrauchten Begleitfiguren scheute Killmayer ebenso wenig zurück wie vor Dreiklängen. Diese sind allerdings aus dem Funktionszusammenhang der traditionellen Harmonik herausgelöst und entfalten ein farblich-emotionales Eigenleben in Gestalt einer unsentimentalen, ...
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Opernwelt Februar 2018
Rubrik: Hören, Sehen, Lesen, Seite 26
von Max Nyffeler
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