Einfach Mensch sein

Er zählt zu den Pionieren der Counter-Szene. Ein Star, der nie Star sein wollte, sondern nur Sänger, Musiker. Mit dieser Einstellung hat Andreas Scholl eine staunenswert lange Karriere vorzuweisen. Ein Gespräch über gängige Klischees, Gott, sogenannte Mutationsdreiecke und gute Lehrer

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Herr Scholl, frei nach Udo Jürgens: «Mit 55 Jahren …»
(lacht und singt) Mit 55 Jahren, da fängt das Leben an …

Fängt es womöglich für Sie als Bariton an?
Nun ja, der Bariton ist in meiner Kehle immer ein Fremdkörper gewesen. Ich habe im Kiedricher Knabenchor angefangen zu singen, dem zweitältesten Knabenchor Deutschlands, und meine Countertenorstimme ist die ununterbrochene Fortsetzung meiner Knabenstimme.

Ich habe nie aufgehört, mit dieser hohen Stimme zu singen, kenne den traditionellen Bruch also gar nicht, dieses «Aussteigen» für ein, zwei Jahre. Natürlich hat mein Gesangslehrer Richard Levitt während des Studiums in Basel immer versucht, mit meiner Baritonstimme zu arbeiten, aber das war gar nicht so leicht. Denn es stellte sich heraus, dass auch meine Sprechstimme schnell ermüdete – ich hatte ein sogenanntes Mutationsdreieck.

Können Sie erklären, was ein Mutationsdreieck ist?
Es bedeutet, dass der Stimmbruch in meiner Jugend nicht vollständig abgeschlossen war. Joseph Sopko, ein in Basel ansässiger Hals-, Nasen- und Ohrenarzt, der seit vielen Jahren ein sehr guter Freund ist und schon damals ein großer Seelentröster für alle Sänger war, fragte mich, als ich 22 Jahre alt war, ...

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Opernwelt August 2023
Rubrik: Interview, Seite 54
von Jürgen Otten

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