Ein Stück Utopie
Die Zahl macht heute noch fassungslos. Acht Millionen Menschen kamen im Dreißigjährigen Krieg zu Tode, von jenen 12 Millionen, die das Heilige Römische Reich Deutscher Nation zuvor beheimatete. Für die Zeitgenossen schien die Apokalypse angebrochen zu sein, als eine enthemmte Soldateska auf Jahrzehnte hin entvölkerte Landstriche hinterließ, Hunger und Seuchen ihr Übriges taten. In Gestalt von Hans Christoffel von Grimmelshausens «Simplicissimus» zeugt ein Stück Weltliteratur von dieser Zeit.
300 Jahre später, der Nazi-Terror hat in Deutschland längst Einzug gehalten, nimmt sich Karl Amadeus Hartmann den Schelmenroman zur Vorlage für eine Kammeroper. Als entartet gebrandmarkter Künstler steht Hartmann vor der Entscheidung: gänzlich verstummen in der inneren Emigration – oder für die Schublade komponieren, ohne Aussicht auf Aufführungen. Er entscheidet sich für Letzteres. In Hartmanns Opus «Des Simplicius Simplicissimus Jugend – Bilder einer Entwicklung aus dem deutschen Schicksal» lässt er seinen Protagonisten von einer für seine Umgebung, nur für ihn selbst nicht tödlich endenden Situation in die nächste stolpern. Der Dreißigjährige Krieg dient als Folie, vor der Hartmann die ...
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Opernwelt August 2023
Rubrik: Panorama, Seite 47
von Werner Kopfmüller
Der Versuch des Theaters Osnabrück, Jaromír Weinbergers vergessene Oper über Wallenstein, den bekanntesten Heerführer des Dreißigjährigen Krieges, für die Bühne zurückzugewinnen, besaß zwei starke Momente – den schockhaften Beginn und das quälende Ende. Den Anfang setzt nicht die Musik, sondern unter ohrenbetäubendem Sirenenalarm ein optisches Zitat – die «stumme...
Gott würfelt nicht. Nie. Gott folgt einem klaren, graniten verfugten Schöpfungsplan. Die Götter Griechenlands hingegen, ohnehin eine überaus bunte Versammlung apart-disparater Naturgewalten und neurotischer Temperamente, haben es damit nie so ganz genau genommen. Kam es ihnen in ihren launischen Sinn, lockten sie die Irdischen auch mal heraus aus ihrer kleinen...
Gut sieht sie aus, die «alte Frau», wie sie da aus der Tür des Riesenkarpfens, der (auch) ein Haus darstellt, heraustritt, neugierig, wer da wohl geklopft hat. Eine Dame, könnte man meinen. Doch schon die ersten Worte und Töne verwandeln dieses wunderliche Wesen in ein keifendes Weib, das den beiden Menschen, die frierend und zitternd vor ihr stehen – in größter...