Ein Opfer reaktionärer Romantik

In einem epochalen Werk erklärt Gerd Michael Herbig die Oper «Don Giovanni» und korrigiert das bis heute virulente Mozart-Bild

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Kann es sein, dass wir von Mozart wenig verstanden haben? Dass seit der Uraufführung des «Don Giovanni» bis auf unsere Tage vorwiegend Irrtümer und ideologische Verfälschungen die Runde machen? Wer das mit kühnen Thesen aufwartende Buch von Gerd Michael Herbig studiert, kommt unweigerlich zu diesem Schluss. Die einzigartige Komplexität des Werkes ist bislang nur ansatzweise durchschaut, seine manifeste Botschaft mutwillig oder aus blanker Ahnungslosigkeit ins Gegenteil verkehrt. Eine Phalanx prominenter Autoren von E. T. A.

Hoffmann und Søren Kierkegaard bis Hans Mayer und Wolfgang Hildesheimer hat nolens volens die Unwahrheit zum hermeneutischen Prinzip erhoben. Herbig spricht von Denkverweigerung – und demonstriert auf 650 eng beschriebenen Seiten (im Lexikon-Format DIN B5), wie Musik und Text zu analysieren sind, nimmt man Mozart und Lorenzo da Ponte ernst.

Die Bibliographie umfasst 850 Titel. Der Fokus liegt auf französischen und deutschen Aufklärern; poetische, philosophische und musiktheoretische Veröffentlichungen des 18. Jahrhunderts werden zu Rate gezogen – also das Mozart verfügbare Wissen – und durch Publikationen moderner Autoren gestützt, unter ihnen Norbert Elias, ...

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Opernwelt Februar 2025
Rubrik: Magazin, Seite 66
von Volker Tarnow

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