Editorial November 2018
Im Sommer hatte sich noch niemand aus der Deckung getraut. Die Vorwürfe gegen Gustav Kuhn, Gründer und Prinzipal der Tiroler Festspiele Erl, waren massiv: sexuelle Übergriffe, Mobbing, Machtmissbrauch. Öffentlich gemacht hatte sie der Blogger Markus Wilhelm – ohne seine Quellen zu nennen. Mit mehreren Klagen versuchten Kuhn und die Festspiele, Wilhelm zum Schweigen zu bringen. Noch im Juli hatte der Dirigent über seinen Anwalt ausrichten lassen, hier werde «eine unwürdige Menschenhatz gegen einen großartigen Künstler» veranstaltet.
Und, als sei nichts gewesen, die Eröffnungspremiere der Festspiele 2018 geleitet, Rossinis «Ermione» (siehe OW 8/2018). Drei Monate später hat sich das Bild grundlegend gewandelt – so grundlegend, dass Kuhn als Intendant und Musikalischer Leiter beurlaubt wurde und die Zukunft des Festivalbetriebs in den Sternen steht.
Denn inzwischen sprechen betroffene Frauen unter ihrem Klarnamen über das, was ihnen zugestoßen ist. Und sie erhalten dabei Rückendeckung von ehemaligen Mitarbeitern, darunter der frühere Chef-Bühnenbildner und Ex-Marketing-Leiter Christoph Ziermann: In einem offenen Brief, den das Wiener Magazin «profil» dokumentierte, bezichtigen sie ...
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Opernwelt November 2018
Rubrik: Editorial, Seite 1
von Jürgen Otten & Albrecht Thiemann
Man schreibt das Jahr 2004, da suchte das Theater Heidelberg einen Generalmusikdirektor. Ein Hannoveraner überzeugte beinahe alle – nur das Orchester hielt ihn mit 24 Jahren für zu jung. Widerwillig billigte es dem Aspiranten eine Probe-Aufführung zu, «Tannhäuser». Er kannte das Stück als Korrepetitor, dirigiert hatte er es nicht. Und so betrat er am 3. Juni,...
Glücklich das Haus, das ein solches Stück mit eigenen Kräften besetzen kann; unglücklich jedoch, wenn es ein Regieteam engagiert, das diesen Kräften durchweg misstraut. Pantomimische und tänzerische Duplikate sind mittlerweile fast schon zur Regel geworden, auch haben wir uns längst an Simultanhandlungen auf der Leinwand gewöhnt, die entweder das Bühnengeschehen...
Das Schlusswort haben die Streicher. Ein Ton, der wie verlöschendes Feuer glimmt, ein letztes Mal Licht spendet, bevor es dunkel wird und still. Ein sehrend schwingender Strahl, er trifft ins Mark. Was kann jetzt noch kommen? Niemand weiß es. Auch Schönberg wusste es nicht. Mit diesem im Offenen verhallenden Ton endet «Moses und Aron», sein unvollendetes...