Ecce Homo
Eine Menschenmenge. Immer mehr kommen aus den Seitengassen, junge Paare, Alte, Kinder, es hört einfach nicht auf. Normalerweise, oft im «Ring» ist das so, starren sie jetzt ins Publikum mit der stummen Frage: «Und ihr?» Doch wir sind nicht am Ende der «Götterdämmerung», sondern beim letzten Orchesteraufbauschen im «Rheingold». Und geschaut wird nach hinten, auf einen gotischen Hochaltar, in dem Wotan samt Sippe Platz genommen hat. Mit Helm, Speer und bauschendem Brokat, so wie es sich für orthodoxe Wagnerianer gehört.
Germanische Götter formieren sich zur christlichen Ikonostase – was für ein Bild!
Im Staunen darüber kommt man aus dem Denken nicht mehr heraus. Oft ist das so in dieser Premiere an der Bayerischen Staatsoper, wo Tobias Kratzer seinen heiß erwarteten «Ring» beginnt. Und dabei oft in wenigen Minuten, in wenigen Takten eine Fülle an Deutungsmöglichkeiten offeriert. Man kann sich fesseln lassen vom Witz, vom Augenzwinkern, von den Theatertricks der ersten Ebene. Und nimmt doch unerhört viel mit, wenn man Kratzers Tiefenbohrungen Millimeter für Millimeter folgt.
Gemeinsam mit Ausstatter Rainer Sellmaier entrollt Kratzer eine Multi-Ästhetik. Fantasy und Realität, ...
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Opernwelt Dezember 2024
Rubrik: Im Focus, Seite 10
von Markus Thiel
Wie konnte es sein, dass nach John Eliot Gardiners Pioniertat von 1987 in Lyon und beim Festival d’Aix-en-Provence, die Glucks erster französischer Oper messerscharfe Konturen und (durch einige rustikale Kürzungen der Divertissements) eine Dramaturgie aus dem Geist der Opernreform verliehen hatte, Riccardo Muti 2002 in Mailand noch einmal ein groß besetztes...
Dieser Konzert-Mitschnitt von 1979 bereichert über den rein künstlerischen Wert hinaus das ohnehin stark schillernde Bild des Komponisten Franz Schmidt um unbekannte Züge. «Fredigundis» ist sein modernstes Werk; der Dreiakter dürfte all jene Enthusiasten erstaunen, die Schmidt vor allem für das Vorspiel zu «Notre Dame», die vierte Symphonie C-Dur und das «Buch mit...
Natürlich kann man sagen, dass Macbeth dergleichen mit einer anderen Frau an seiner Seite nicht passiert wäre. Vor allem hätte er einfach nur abwarten müssen. Es läuft ja ohnehin schon alles in seine Richtung, sein vermeintlich unaufhaltsamer Aufstieg hat längst begonnen. Macbeth jedoch ist zu ungeduldig. Immerhin hat er nachher den Anstand, das nicht seiner...