Ecce Homo
Eine Menschenmenge. Immer mehr kommen aus den Seitengassen, junge Paare, Alte, Kinder, es hört einfach nicht auf. Normalerweise, oft im «Ring» ist das so, starren sie jetzt ins Publikum mit der stummen Frage: «Und ihr?» Doch wir sind nicht am Ende der «Götterdämmerung», sondern beim letzten Orchesteraufbauschen im «Rheingold». Und geschaut wird nach hinten, auf einen gotischen Hochaltar, in dem Wotan samt Sippe Platz genommen hat. Mit Helm, Speer und bauschendem Brokat, so wie es sich für orthodoxe Wagnerianer gehört.
Germanische Götter formieren sich zur christlichen Ikonostase – was für ein Bild!
Im Staunen darüber kommt man aus dem Denken nicht mehr heraus. Oft ist das so in dieser Premiere an der Bayerischen Staatsoper, wo Tobias Kratzer seinen heiß erwarteten «Ring» beginnt. Und dabei oft in wenigen Minuten, in wenigen Takten eine Fülle an Deutungsmöglichkeiten offeriert. Man kann sich fesseln lassen vom Witz, vom Augenzwinkern, von den Theatertricks der ersten Ebene. Und nimmt doch unerhört viel mit, wenn man Kratzers Tiefenbohrungen Millimeter für Millimeter folgt.
Gemeinsam mit Ausstatter Rainer Sellmaier entrollt Kratzer eine Multi-Ästhetik. Fantasy und Realität, ...
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Opernwelt Dezember 2024
Rubrik: Im Focus, Seite 10
von Markus Thiel
Kastraten waren die Gesangsstars der Barockoper. Die mittlerweile kaum noch zu überblickende Fülle an CDs, auf denen Countertenöre Musik von Händel, Vivaldi, Porpora, Hasse und vieler anderer Komponisten zelebrieren, scheint diese Aussage zu bestätigen. Sinnvoll ist es aber nicht, die Ära der Sängerkastraten auf wenige Jahrzehnte vor und um die Mitte des 18....
Das kann nicht wahr sein: Da findet am Landestheater Eisenach eine Opernpremiere statt, und der Zuschauerraum ist nicht einmal zu einem Drittel gefüllt. 147 Menschen verlieren sich in einem Raum, der 500 Besuchern Platz bieten möchte. Gezeigt wird das Erfolgsstück «Madama Butterfly», es spielt die traditionsreiche Meininger Hofkapelle, allerdings ein wenig...
In Shakespeares Stücken steckt viel Musik, metaphorisch wie szenisch. Seine Sprache spielt oft auf Musik an. «Wenn die Musik der Liebe Nahrung ist, / spielt weiter! Gebt mir volles Maß! dass so / Die übersatte Lust erkrank und sterbe. – Die Weise noch einmal!», heißt es zu Beginn von «Was ihr wollt». Aber welche Weise da eigentlich von den Musikanten des Herzogs...