Drastisches Kammerspiel
Katerina Ismailowa ist Täterin und Opfer zugleich, Mörderin wie Beute eines liebund mitleidlosen Systems vulgärkapitalistischer Machos. Das rüde Sein bestimmt das brutale Bewusstsein. Zur Revolutionärin aber taugt Katerina nicht. Pure Langeweile treibt sie an, sich über die Leiche des herrschsüchtig-geilen Schwiegervaters hinweg das Minimum an Zuwendung zu verschaffen. Weil sie die Männer ihrer Umgebung nur allzu gut kennt (und entsprechend wenig von ihnen erhofft), beschränkt sie ihre Bedürfnisse auf kaum mehr denn ausschweifende Sexualität.
Der virile Frauenheld Sergej kann immerhin diesen Wunsch erfüllen.
Dass mehr vom Leben zu fordern Traumtänzerei wäre, zeigt Joan Anton Rechi in Detmold bedrückend deutlich. Der Regisser nutzt die intime Atmosphäre des Hauses, um dem Publikum beinahe buchstäblich auf den Leib zu rücken. Schostakowitschs Oper gerät so zum gewaltgesättigten Kammerspiel: Es wird kopuliert und gemordet, was das Zeug hält. Kein Wunder, die tragische Titelheldin und ihr Liebhaber stehen unter enormem erotischen wie gesellschaftlichem Druck, und der sucht sich sein Ventil. Zwar drückt die Obrigkeit anfangs ein Auge zu; selbst der Pfarrer ist scharf auf die ...
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Opernwelt Mai 2023
Rubrik: Panorama, Seite 57
von Michael Kaminski
Verdis Oper «La forza del destino» dreht sich um die tragische Liebe zwischen Leonora und Don Alvaro. Die verbindende Liebe zwischen beiden erfährt massive Beeinträchtigungen: durch die Konflikte zwischen den jeweiligen Familien und durch gesellschaftliche Vorurteile. Am 1. April war die Premiere dieser Oper am Staatstheater Kassel.
Der österreichische Regisseur...
Es könnte sich gut in einem kleinen italienischen Opernhaus abspielen, was nach Cio-Cio-Sans berühmter Arie »Un bel di, vedremo« passiert: Die Primadonna steht in einem sehr konventionellen Bühnenbild auf dem Steg im Rampenlicht und schüttelt die ausgebreiteten Arme für noch mehr Bravi. Im begeisterten Publikum befinden sich augenscheinlich Claqueure, der Dirigent...
Sie ist die amtierende Carmen in Herbert Fritschs knallbunter Inszenierung an der Hamburger Staatsoper: Die russische Mezzosopranistin Maria Kataeva absolviert Fritschs gnadenlose Überzeichnungen und ironische Klischeespielereien ebenso souverän wie das unvermeidliche Kastagnettengeklapper zu kreisenden Hüften. Kataeva gastiert auch an der Münchener Staatsoper und...