Dieses obskure Subjekt der Begierde
Treffen sich zwei. Sie, eine ausgehungerte, nach (körperlicher) Liebe dürstende Frau, deren Leben aus Ennui und gemeiner Unterdrückung besteht. Er, eine Art lisny celovek, ein armer, in der sozialen Hierarchie weit untenstehender Tropf, dessen einziges Vergnügen in erotischer Vergiftung besteht. Wie zwei magnetisch aufgeladene Monaden prallen Katerina Ismailowa und Sergej aufeinander; da bleibt nicht einmal Zeit für die hohe Kunst der Verführung. Ungehemmt, wie wilde Tiere, verklammern sie sich, ohne auch nur eine Sekunde über die Folgen ihres Tuns nachzudenken.
Das Äußerste, es passiert. Einfach so.
So einfach aber ist die Geschichte eben nicht. Katerina ist verheiratet, wenn auch mit einem Jammerlappen. Sinowij Borissowitsch Ismailow, den sie gegen ihren Willen auf höheren Befehl hin geehelicht hat, leidet selbst unter den Mechanismen jenes Systems, in dem sie alle ausnahmslos leben. Im «Reich» des Boris Timofejewitsch Ismailow gilt das Gesetz der Gewalt. Und diese Gewalt kennt keinen Unterschied zwischen Mann und Frau. Sie ist virulent, egal wohin man schaut, und sie bedient sich in vielen Fällen der Macht der Peitsche. Wer sich widersetzt oder gar entfliehen will, spürt die ...
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Opernwelt April 2025
Rubrik: Im Focus, Seite 14
von Jürgen Otten
Wer in Düsseldorf das Opernhaus besucht, zumal wenn die Sonne scheu-warm vom Himmel auf den benachbarten Hofgarten herabblinzelt, kommt um den wohl größten Sohn der Stadt kaum herum. Und so muss man auch an diesem milden Spätwintertag sogleich an Heines Gedicht «Frühling» denken, an diese lichten, leichten Verse: «Die Wälder und Felder grünen, / es trillert die...
Hier stimmt einfach jedes Detail. Erstaunlich ist eigentlich nur, dass dieses Libretto vor mehr als 300 Jahren entstand und nicht erst vor ein paar Monaten. Vincenzo Grimani schrieb es, überaus frei im Umgang mit der römischen Geschichtsschreibung. «Agrippina», Händels erster großer Bühnenerfolg, wird in Zürich zu einem aufregenden, absolut heutigen Abend, bei dem...
Seit geraumer Zeit wird in ambitionierten Opernaufführungen die Ouvertüre zum Anlass für stumme Kommentare, Hintergründe oder Rückblenden genommen. Die als Einstimmung und Vorstellung der wichtigsten musikalischen Themen gedachte Musikstrecke sieht sich umfunktioniert zur Tonspur eines Stummfilms. Man ist schon fast irritiert, wenn, wie jetzt in Wuppertal, der...