Die Last der Lust
Man kann auf eine sehr heutige Art gestrig sein. William Kentridge stopft in Amsterdam die gute alte «Lulu» mit vielem voll, was aktuelle Videotechnik hergibt. Er schickt Bergs Luft- und Liebesgymnastikerin durch vagierende Räume aus Bewegung und Licht. Mal überziehen Zeitungsschnipsel die breite Bühne, mal Spruchbänder mit Zitaten und Kommentaren. Mal spritzt schwarze Tinte hintersinnige Formen, mal lugen holzschnitthaft breitflächige Köpfe aus dem Gewusel.
Im wahrsten Sinn des Wortes greifbar wird der Bilderreigen allerdings auch: Lulus Porträt erscheint nur in kleine Zettelchen zerfetzt, die an ihrem Kostüm kleben: Busen, Hintern und mehr. Eine Kopfmaske hat sie auch, die ist aus Pappe und wandert als Schlüsselrequisit durch den Abend. Für Kentridge kommt Kunst von Collage, sie hat mit körperhaftem Erleben zu tun, mit Mixturen, die sich als Ereignisräume verstehen. Zur «Lulu» passt das insofern, als das Stück, das – als Oper – eine lange Inkubationszeit hatte, die Roaring Twenties spiegelt. Es ist szenisch aus dem Geist von Dada denkbar. Schwitters kann mitspielen. Auch der protokollierende Zynismus von George Grosz und die verfremdende Ausdruckswut von Georges Braque. Das ...
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Opernwelt Juli 2015
Rubrik: Im Focus, Seite 8
von Stephan Mösch
Ein seltsames Schauspiel bietet sich dem Amazonas-Schiffer vor Manaus: Durchaus im gleichen, weiten Bett, aber mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fließen der braune, träge, warme Amazonas und der behändere, dunkelkühle Rio Negro nebeneinander her, bis sie sich nach etwa dreißig Kilometern dann doch zusammentun.
Ob Ermanno Wolf-Ferrari je in der brasilianischen...
Frau Sobotka, die Bregenzer Festspiele standen immer unter einem Motto. Sie verzichten jetzt darauf. Warum?
Weil das die Gestaltungsmöglichkeiten einengt. Ich möchte die Entwicklung des Programms offen halten. Wichtiger als Konzepte oder thematische Leitmotive sind für mich Gespräche mit Künstlern und die Auseinandersetzung mit Stücken.
Stefan Herheim wird im...
Die Grazer «Jenufa», im März 2014 herausgekommen und später nach Augsburg weitergezogen, hätte eigentlich «Buryja» heißen müssen. In Peter Konwitschnys Inszenierung war die Küsterin das Kraftzentrum des Geschehens. «Als Stachel steckt sie im Fruchtfleisch fröhlichen Dorftreibens, eine wie aus Glas geschnittene Figur, an der ihre Umwelt sich die Haut aufreißt», hieß...
