Die innere Freiheit
Die Erinnerung ist hellwach an jenen Tag vor mehr als 20 Jahren, der in der Rückschau ein wolkenloser war. Karlsruhe, Hauptbahnhof. Wahrlich kein schöner, anmutiger Ort. Eher prosaisch, ein guter Treffpunkt.
Als der Gast sich aus dem pünktlich (!) angelangten ICE herausschält und auf den Bahnsteig begibt, sieht er sogleich in der Ferne eine hünenhafte Gestalt mit majestätischem Charakterkopf, die wie ein Leuchtturm aus der Menschenmenge emporragt, in wenigen Sekunden den Besucher ausfindig gemacht hat, eifrig mit den Händen winkend, um dann, bei der Begrüßung, großzügig-gewinnend zu lächeln. Unvergessen bis heute der Gesichtsausdruck dieses vorwiegend heiteren Bewohners der Gelehrtenrepublik bei der Inaugenscheinnahme: neugierig-zugeneigt.
Es ist dies eine Eigenschaft, die nicht nur den Menschen, sondern auch den Künstler Wolfgang Rihm treffend beschreibt. Mochte er nie mit dem Strom mitschwimmen, den andere (auch für ihn) ausgehoben hatten, mochte er an so mancher Kreuzung lieber einen Sonderweg wählen wie Zack (cool wie immer: Tom Waits) in dem grandiosen Film «Down by law» von Jim Jarmusch, der am Ende, als die beiden Übriggebliebenen an einer Weggabelung stehen, auf die Frage ...
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Opernwelt September/Oktober 2024
Rubrik: In Erinnerung, Seite 81
von Jürgen Otten
Zum Beispiel Frau H. Frau H. ist Anfang 50 und Geigerin in einem kleinen Stadttheater. Seit gut 30 Jahren sitzt die Musikerin, Mutter und geschiedene Ehefrau mit einer heimlichen Vorliebe für Kleist und Yoga abends im Orchestergraben und streicht mit Hingabe die vier Saiten ihrer Violine. Eines Tages aber überkommt sie die Panik – die «Aida»-Panik. Plötzlich...
Im Anfang ist das Bild, Claude Monets «Gondel in Venedig», eine konzise, nebelumhüllte Impression. Doch sogleich folgen die passenden Verse aus Nietzsches «Ecce homo», als unverhohlene Hommage an die Stadt, die dem Philosophen, in fünf Episoden, Fluchtpunkt wie (brüchiges) Idyll war: «An der Brücke stand / jüngst ich in brauner Nacht. / Fernerher kam Gesang: /...
Liebe Frau Jacquot, lieben Sie Heine?
Durchaus. Aber warum fragen Sie danach?
Weil Ihr Weg ein wenig der umgekehrte Heinrich-Heine-Weg ist. Er verließ Deutschland, um in Paris sein Glück zu finden, Sie haben Frankreich verlassen, um auf der rechten Rhein-Seite, unter anderem in der Geburtsstadt Heines, ihr Glück zu finden. Zudem sollen Sie in einer Abschlussprüfung...