Der Wirklichkeit enthoben
Worüber man im wahren Leben tunlichst schweigen sollte, davon lässt sich im Märchen trefflich erzählen. Und während Kinderfabeln mit ihren idealen Prinzessinnen und Königen als (Arche-)Typen des «Es war einmal» und «... dann leben sie noch heute» ihre zeitlosen Wahrheiten verkünden, gleichen Märchen für Erwachsene fast immer heimlichen Zeitstücken.
Die geraten allerdings mitunter affirmativ, etwa wenn Richard Strauss und Hugo von Hofmannsthal in der «Frau ohne Schatten» mitten in einem seinen Humanismus korrumpierenden Europa des Ersten Weltkriegs anno 1917 das Hohelied der Gattenliebe singen. Direkt nach dem Weltenbrand fragt Walter Braunfels 1920 in seiner Aristophanes-Adaption «Die Vögel» wiederum mythenverschwurbelt (aber auch selbstkritisch die dionysische Entgrenzung reflektierend), ob künstlerischer Eskapismus eine Antwort auf den Untergang sein könnte oder Weltenflucht nicht ihrerseits zum Weltverlust führt.
Engelbert Humperdinck, der Meister der in die Romantik des orchestralen Wagner-Walds verlegten Kinderoper «Hänsel und Gretel», schuf mit den «Königskindern» 1909 seinen Schwanengesang als utopisch aufgeladenen Abgesang auf die Märchenoper und postulierte auf des ...
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Opernwelt Juli 2021
Rubrik: Focus Spezial, Seite 10
von Peter Krause
Frau Hesse von den Steinen, wenn wir Friedrich Nietzsche Glauben schenken wollen, ist der Einsamste der Stärkste. Die von Ihnen mitbegründete Initiative «krea(K)tiv» scheint aber für das genaue Gegenteil zu stehen ...
Richtig! Denn wenn wir dem österreichischen Kabarettisten Werner Schneyder glauben wollen, ist Einsamkeit die Belästigung durch sich selbst. Ich...
Giusto Fer(di)nando Tenducci (ca. 1735–1790) war ein leuchtendes Beispiel dafür, dass Kastraten ihre Libido und veränderte Körperfettverteilung durch Testosteronsubstitution wieder normalisieren konnten, so dass die zu einem vokalen Wipfel-Dasein Erkorenen sich auch ein bewegtes erotisches Leben nicht versagen mussten. Zumal das Messerchen ja «bloß» die Hoden...
Seit fast drei Jahrzehnten steht die Sopranistin Sandrine Piau im Rampenlicht. Zusammen mit Véronique Gens verkörpert sie die Wiederkehr jenes typisch französischen Gesangsstils, der Virtuosität mit Lyrik, Eleganz mit Tiefgang, nicht zuletzt verbale Nuancierung mit vokaler Differenzierung verbindet und mit Ninon Vallin und Suzanne Danco dahingegangen schien. Wie...
