Der Mensch ist sich selbst Teufel genug
Ob die Musikgeschichte gerecht sei? Es ist dies eine ebenso berechtigte wie stetig wiederkehrende Frage. Denn mit jedem Geschmackswandel, mit jeder neuen Kritik an alten Gewissheiten (und Klischees) tun sich neue Grabungsstätten auf. Seit bald 15 Jahren arbeitet eine emsige Gruppe musikalischer Archäologen unter dem Dach der Stiftung Palazzetto Bru Zane an der Neubewertung der klangvollen französischen (Spät)Romantik.
Das ist auch bitter nötig, denn seit Wagners wirksamer Polemik gegen die Grand Opéra wurde ein großer Teil dieser Musik lange missachtet; in den Schubladen schlummert noch einiges, was eine Wiederentdeckung lohnen würde. Neben der Konzentration auf die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts, die mit der staatsstreichartigen Machtübernahme der «Bastardmonarchie» Napoleons III. einsetzt, haben die Schatzgräber aus Venedig (mit Pariser Dependance) in Notenarchiven und Bibliotheken einen weiteren Schwerpunkt definiert – die Suche nach vergessenen Komponistinnen jener fernen Zeit.
Unter ihnen sticht insbesondere das Schicksal der Louise Bertin ins Auge: Als Tochter des einflussreichen Herausgebers Louis-François Bertin wächst sie in einem wohlhabenden Pariser Haus auf; Kunst- ...
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Opernwelt März 2024
Rubrik: Im Focus, Seite 4
von Regine Müller
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Woran sollten sie sich auch sonst festhalten? Die Gesellschaft ist nur maskierte Masse in Benedict Andrews Inszenierung von Tschaikowskys «Pique Dame», das Fest in...
Eine Collage war George Bizets «Carmen» im Grunde von Anbeginn an. Ob Konstruktionsprinzip oder Konstruktionsfehler, darüber lässt sich bis in die Gegenwart trefflich streiten. Wobei deren Ästhetik Ersterem ja durchaus zugetan ist. Die durcherzählte, stilistisch homogene Geschichte hat in der Spätmoderne kaum noch Konjunktur, und das abgesehen davon, dass es im...
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