Der letzte Mohikaner

Er war eine Institution – und genoss es: Erinnerungen an den großen Kritiker Joachim Kaiser

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Vor vielen Jahren erregten zwei steile Kritiker-Sätze einigen Unmut: «Erst wenn meine Rezension erschienen ist, hat die Sache überhaupt stattgefunden.» Und: «Es gibt in einem Artikel nur eine wirklich wichtige Information: der Name des Autors.» Der diagnostische Bannfluch folgte prompt: eitle Hybris. Ganz falsch war das natürlich nicht – aber auch nicht unbedingt richtig.

Denn zum wichtigen Kritiker gehört die offizielle Funktion als Instanz: Sachkenntnis, Urteilsvermögen wie Wertungslust, Unabhängigkeit, eloquente «Schreibe», Tragkraft wie Reichweite des Mediums – all das gehört zum Bild vom Meinungsführer, Kunst-Richter, ja «Kritiker-Papst».

Aber es gibt auch das Negativ: «Schlagt ihn tot, den Hund, es ist ein Rezensent», heißt es bei Goethe, allerdings über einen Essens-, nicht Kunst-Quengler. Der Beckmesser der «Meistersinger» war böse Spitze gegen den (übrigens unterschätzten) Eduard Hanslick. Und im «Abschied» von Hugo Wolfs Mörike-Liedern wird der «Kritikaster» genüsslich die Treppe hinabgestoßen – was wenig verwundert, war Wolf bei seinen Brahms-Attacken doch gewiss nicht zimperlich. Das Image des Kritikers schwankt also zwischen Leuchtturm und Scheusal. Keine Frage, den ...

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Opernwelt Juli 2017
Rubrik: Magazin, Seite 72
von Gerhard R. Koch

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