Der Kuss der Venus

«Tannhäuser», inszeniert von Kasper Bech Holten in Kopenhagen sowie in Halle, wo Lars Cleveman die Titelpartie singt – wie 2011 in Bayreuth

Tannhäuser hat es zu etwas gebracht. Herrschaftlich ist die teure Halle des Anwesens, das Kasper Bech Holten schon zur Ouvertüre präsentiert. Scharen von Dienstboten treffen unter den wachsamen Augen von Hausherrin Elisabeth Vorbereitungen für das angesetzte Sängerfest. Sie zählen Tischtücher, und sie polieren Gläser, während der Künstler an seinem Schreibtisch auf den Kuss der Muse wartet. Die Inspiration durch den unterdrückten Persönlichkeitsteil namens Venus erfolgt prompt mit Einsatz des flirrend-elektrisierenden Streichermotivs.

Und sie hat ungeahnte Folgen: Das Treppenhaus scheint sich um eine Spiegeldimension zu erweitern, und die Dienstboten verwandeln sich in ein Heer schenkelspreizender Verführerinnen und lüsterner Knaben. Der Schaffensrausch verändert das Bewusstsein des Künstlers und führt fortan dazu, dass er Vision und Realität nicht mehr auseinanderhalten kann.

Spektakulär ist es allemal, wie Kopenhagens Opernchef nach seinem viel beachteten «Ring»  die Möglichkeiten des neuen Hauses für eine weitere psychoanalytische Wagner-Vision nutzt. Die Eingangshalle, die Ausstatterin Mia Stensgaard gebaut hat, taugt als realer Raum für großbürgerliche Festlichkeit; zugleich ...

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Opernwelt März 2010
Rubrik: Im Focus, Seite 14
von Jörg Königsdorf

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