Das komponierte Ensemble
Die klassische Situation: Eine bestimmte Anzahl von Menschen aus verschiedenen Ländern, unterschiedlicher Herkunft, beiderlei Geschlechts, gerät auf einer gemeinsamen Reise aufgrund höherer Gewalt in die berüchtigte «Inselsituation»: Es gibt keinen Ausweg, keiner kann dem anderen ausweichen, man muss sich arrangieren, die Zeit totschlagen oder – wie im Kriminalroman – sich peu à peu umbringen, nach der Melodie von den zehn kleinen Negerlein. Rossinis Oper «Il viaggio a Reims» ist nach diesem dramaturgischen Muster konzipiert.
Eine internationale Reisegesellschaft, die zur Königskrönung nach Reims möchte, sitzt in einem Badeort fest, wartet auf neue Wagen und Kutschpferde und vertreibt sich bis dahin die Stunden mit virtuosem Gesang, in dem sich zwischen halsbrecherischen Koloraturen, sanft schwingenden Kantilenen und dem berühmten «Gran pezzo concertato» für vierzehn exquisite Solisten das übliche Quiproquo der Gefühle ausbreitet, für dessen Charakterisierung man einfach nur auf die Komödien eines Marivaux verweisen könnte: das Spiel von Liebe und Zufall – ein Drama des Innenlebens. Rossinis Genialität besteht darin, wie er diese komödienhaft-antreibende, seelenanalytische Rede ...
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Die These, die dem neuen Hannoveraner «Tristan» zu Grunde liegt, ist durchaus beunruhigend: Könnte es sein, so scheint Joachim Schlömer sich und das Publikum den ganzen Abend über zu fragen, dass dieses Werk sich am Ende einer glaubwürdigen szenischen Realisierung grundsätzlich verweigert? Dass dort, wo es ohnehin nur um hemmungs- und grenzenlose Gefühle geht, jede...
Herr Schindhelm, Ihr Amt als Generaldirektor der Opernstiftung bedeutet insofern Pionierarbeit, als in Berlin eine Entscheidung darüber fallen muss, wie sich Oper heute als Kunstgattung in der Gesellschaft definiert. Welche Position nehmen Sie da ein?
Eine ermöglichende. Direktoren sind dazu da, einem großen städtischen Publikum möglichst viel zu bringen,...
Frau Schäfer, szenische Annäherungen an Schuberts «Winterreise» haben derzeit Hochkonjunktur. Sie haben die vierundzwanzig «schaurigen Lieder» in einem Duisburger Industriebau gesungen. Worin besteht für Sie der dramatische Impetus dieses Zyklus?
Ich finde, dass die «Winterreise» gar nicht so schaurig und tragisch ist, wie immer behauptet wird. Natürlich ist der...