Boulevardprop

Weill: Die Dreigroschenoper am Staatstheater Nürnberg

Opernwelt - Logo

Ausgerechnet wenn der berittene Bote im Finale alles aufklärt, wenn Mackie vom Galgen geholt und geadelt wird, da versagt das Pferd. Hat sich wahrscheinlich in die Kulissen verkrümelt, um den Kaviar-Eimer aus dem ersten Akt leer zu lecken. Oder feilt im Ballettsaal ein paar Gänge weiter an seinem Stepptanz. Der vorwitzige Gaul, in dem zwei Frauen stecken, mischt sich ja sonst gern ein. Eine hufklackernde Rampensau, ganz zum plaisier des Publikums. Und er gibt den Ton vor für den ganzen Abend.

«Die Dreigroschenoper» ist in Nürnberg weniger Agit-, sondern Boulevardprop. Einmal purzeln Pappschilder mit Parolen in fehlerhaftem Deutsch wie versehentlich die Bühnentreppe hinunter, sehr bezeichnend ist das.

Der regieführende Chef mag in manchen Augen der Brecht/Weill-Sause die Zähne gezogen haben. Doch Jens-Daniel Herzog dreht den Spieß einfach um. Statt ein Stück vorzuführen, das sich in Brechungen ständig selbst infrage stellt und begrinst, ist die Aufführung ein Schritt Richtung Normalisierung. Nivellierung inklusive. Vielleicht auch, weil sich der Kampfgeist der «Dreigroschenoper» zum Gutteil verflüchtigt hat, Aktualisierungen in den letzten Jahren wirkten eher bemüht statt ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt März 2025
Rubrik: Panorama, Seite 50
von Markus Thiel

Weitere Beiträge
Urbi et orbi

Im oberen Fenster eines bunt bemalten Fachwerkhauses klebt ein selbstgebasteltes Pappschild: «Für die Vielfalt! Gegen rechts!». Hildesheim ist ein kleines Juwel der Fachwerkarchitektur. Neben einer mühevoll wiederaufgebauten Innenstadt, die diesbezüglich im Zweiten Weltkrieg einen großen Bestand eingebüßt hat, gibt es ganze Straßenzüge mit erhaltenen, aufwendig...

Flucht in die Groteske

Letzter Halt vor Kairo. Die Karawane des unerbittlichen Sklavenhändlers Husca, unter dessen Beute sich auch der junge Franzose Saint-Phar und seine frisch angetraute Zé-lime befinden, wird von räuberischen Arabern attackiert, die der heldenhafte Europäer, der sich damit freikaufen wird, natürlich besiegt. André-Ernest-Modeste Grétry schreibt hier keinen unzählige...

Briefe aus dem Gefängnis

Hans-Klaus Jungheinrich, lange Zeit der Musikkritiker der «Frankfurter Rundschau», starb vor sechs Jahren. Seine Bücher waren gefeiert worden. Sein Tod hinterließ eine Leerstelle. Kaum jemand hat sich Zeit seines Lebens so mit Musik beschäftigt wie er, so darüber nachgedacht, geschrieben, gesprochen. Menschen pilgerten zu ihm, lasen seinetwegen das Feuilleton des...