Blinde Winkel

In ihrem 50. Jahr legt die Nationale Opera Amsterdam ein neues Festival auf – mit Uraufführungen von Kaija Saariahos «Only the Sound Remains» und Michel van der Aas 3D-Kammeroper «Blank Out»

Opernwelt - Logo

Es ist das alte Lied. Als die Salzburger Festspiele im August 2000 Kaija Saariahos erste Oper auf die Bühne brachten, kochte eine kapitale Kontroverse hoch. Als esoterischen Klangkitsch kanzelten nicht wenige Beobachter «L’Amour de loin» ab, als kunstgewerbliches Machwerk über den Topos der verbotenen Liebe in mittelalterlicher Troubadour-Lyrik, das wie eine spektral verbrämte, sich selbst genügende Messe für zivilisationsmüde New-Age-Eskapisten daherkomme.

Akustische Wellness, weltflüchtig, prätentiös, marktgängig – so lauteten auch die Einwände nach der Amsterdamer Uraufführung der nunmehr fünften Arbeit, die die in Paris lebende finnische Komponistin für das Musiktheater geschrieben hat: «Only the Sound Remains», zwei kurze Stücke für Countertenor, Bassbariton, Tänzerin, vier Choristen, sieben Musiker und Live-Elektronik.

Während «L’Amour de loin» um das gegen höfische Normen aufbegehrende Traumbild einer unerreichbaren Geliebten kreist, entzündete sich Saariahos filigrane Fantasie diesmal an Stoffen aus dem japanischen Nô-Kanon. «Tsunemasa» behandelt die Begegnung eines Zen-Meisters (Gyôkei) mit dem Geist des hoch geschätzten Lautenspielers Tsunemasa, der in einer Schlacht ...

Weiterlesen mit dem digitalen Monats-Abo

Sie sind bereits Abonnent von Opernwelt? Loggen Sie sich hier ein
  • Alle Opernwelt-Artikel online lesen
  • Zugang zur Opernwelt-App und zum ePaper
  • Lesegenuss auf allen Endgeräten
  • Zugang zum Onlinearchiv von Opernwelt

Sie können alle Vorteile des Abos
sofort nutzen

Digital-Abo testen

Opernwelt Mai 2016
Rubrik: Im Focus, Seite 22
von Albrecht Thiemann

Weitere Beiträge
Klein ist spitze

Hier der Stolz der Blaublüter, derer von Sachsen-Coburg, dort der Stolz der mittelhessischen Bürgerschaft, die ihren Musentempel einst selbst finanzierte: Weiter auseinander können Gründungsakte und Tradition kaum liegen. Viel Selbstbewusstsein tanken Coburg und Gießen aus ihrer Vergangenheit, auch weil sie sich heute gegen die Dickschiffe der Szene behaupten...

Krimikomödie

Noch bis Ende 2016 bleiben die Pforten der Pariser Opéra Comique geschlossen – eine Totalrenovierung steht an. Der Komponist Marc-Olivier Dupin und sein ­Librettist Ivan Grinberg haben den Vorhang einfach im Internet wieder hochgehen lassen. In der Weboper «Le Mystère de l’écureuil bleu» ist das Haus an der Place Boieldieu schon frisch herausgeputzt, man fiebert...

Echte Trouvaillen

Auch in der Ära Konrad Ade­nauers und Charles de Gaulles, als die deutsch-französische Aussöhnung auf der Tagesordnung ganz oben stand, wurden die künstlerischen Leistungen des Nachbarlandes, jedenfalls soweit es die ­Gesangskunst betraf, östlich des Rheins kaum wahrgenommen. Das hat sich inzwischen geändert. Auch dank des Institut National de l’Audiovisuel (INA),...