Aufgeschminkt
So viel Hype war nie.
Ein mit Silikon vollgepumptes Pin-up-Girl als Hauptfigur am Royal Opera House? Four-letter words, bis der Kronleuchter klingelt? Sex, Drugs & Rock’n’Roll, dass die Wände wackeln? Eine Hähnchenbraterei, ein Striplokal und ein geiler Greis auf der königlichen Bühne? Als bekannt wurde, dass Mark-Anthony Turnage, der 1960 geborene rough boy unter Großbritanniens Komponisten, für Covent Garden eine Oper über das kurze Leben des amerikanischen Playmates Anna Nicole Smith schreiben würde, war, nicht nur in der englischen Boulevardpresse, die Hölle los – als hätte es Brecht/Weills, «Mahagonny»-Bilderbogen nie gegeben. ROH-Chef Tony Hall und seine scheidende Operndirektorin Elaine Padmore hatten die Gunst der Stunde sofort gewittert – und eine PR-Kampagne abgesegnet, die den chirurgisch fabrizierten Marilyn-Monroe-Appeal der 2007 im Alter von 39 Jahren verstorbenen Texanerin als visuellen Botenstoff einsetzte. Mit durchschlagender Wirkung: Als Turnage noch an den Noten des Zwei-Stunden-Opus und Richard Thomas an den Slang-Reimen des Librettos feilte, hatte «Anna Nicole» bereits alle Blicke auf sich gezogen. Auch weil sich Eva-Maria Westbroek, die Darstellerin der Titelrolle, schon vor dem «Event» mit halb entblößtem Busen und laszivem Lolita-Lächeln als Animierdame hatte einspannen lassen. ...
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Opernwelt April 2011
Rubrik: Im Focus, Seite 6
von Albrecht Thiemann
Rückblende: Als Kirsten Harms im Oktober 2006 an der Deutschen Oper Berlin Alberto Franchettis 1902 uraufgeführte und nach einigen Jahren vergessene Revolutionsoper «Germania» wieder auf die Bühne brachte, fiel das kritische Urteil in der Tagespresse vernichtend aus. Zu den wenigen Stimmen, die damals widersprachen, gehörte diese Zeitschrift (siehe OW 12/2006) –...
Über ihre darstellerische Identifikation mit der Rolle lässt sich nichts sagen. Wohl aber etwas über ihre sängerische. Anja Harteros gab ihr Rollendebüt als Leonora in Verdis «Trovatore», steckte aber nicht im Kostüm. Denn die Kölner Oper hat das Werk konzertant angesetzt, nicht im Stammhaus, sondern in der nahe gelegenen Philharmonie, die rechtzeitig als eine von...
Es ist ein gewaltiger Sprung, den sich Agneta Eichenholz mit ihrer Alcina zutraut: Von der Lulu, mit der sie vor knapp zwei Jahren an Covent Garden den internationalen Durchbruch feierte, zu Händels Zauberin zu wechseln, heißt vom Opfer zur Täterin werden, von der Kindfrau zum männerverzehrenden Vamp. Dass die Schwedin auch das Format für die reife Femme fatale...