Ansichten eines Barfußindianers
Jossi Wieler lächelte, milde, fast so, als habe er sogar ein wenig Verständnis für diese Wutbürger vorwiegend in den oberen Rängen, die sich bei der Applausordnung nach der Premiere ereiferten, um ihr geharnischtes Unverständnis über das gerade Gesehene herauszubrüllen. Grund genug für diese clemenza hatte Wieler jedenfalls, in dessen Regieboot diesmal neben seinem ständigen Mitstreiter Sergio Morabito auch noch die Bühnen- und Kostümbildnerin Anna Viebrock saß.
Denn einer «Schuld», wie auch immer man sie definieren mochte, konnte das Dreigestirn sich wahrlich nicht bewusst werden – außer der vielleicht, dass diese «Meistersinger von Nürnberg» an der Deutschen Oper Berlin nicht unbedingt das waren, was ein heißblütiger Wagnerianer sich gemeinhin darunter vorstellt.
Was die Gemüter hochkochen ließ? Vermutlich die «Werktreue», die sie sträflich vermissten. Doch wo und wie lange man auch nach Indizien sucht, man findet kein Vergehen. Wieler, Morabito und Viebrock haben den Text nur auf ihre Art, dabei aber sehr präzise gelesen und in ein modernes semantisches Gewand gehüllt. Und sie haben Wagner selbst beim musikalischen Wort genommen, das Dirigent Markus Stenz – trotz einiger ...
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Opernwelt 8 2022
Rubrik: Im Focus, Seite 22
von Jürgen Otten
Bodø liegt im Norden Norwegens, ganz nah bei den Lofoten. Bis zum Nordpol sind es 2.526 km. Die Sommertage sind hier lang: Um Mitternacht steht eine blutrote Sonne etwa daumenbreit über dem malerischen Horizont, der von den schwarzen Scherenschnitten der im Meer liegenden Felsen aufgebrochen wird. Untergehen tut sie in dieser Jahreszeit nie. Nahe des Hafens liegt...
Wann haben Sie zuletzt in der Oper geweint?
Ob ich geweint habe, weiß ich nicht mehr, aber tief beeindruckt, erschüttert hat mich Chaya Czernowins «Infinite now» 2017 am Nationaltheater Mannheim. Sehr bewegt hat mich auch Halévys «La Juive» in der Regie von Lydia Steier (Staatsoper Hannover 2019).
Wo würden Sie ein Opernhaus bauen?
In der Wüste – zum Beispiel in...
Im Grunde ist mit den ersten Worten das Wesentliche gesagt: «Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus.» Der Wanderer in Schuberts «Winterreise» auf die ingeniösen Verse Wilhelm Müllers weiß, wohin sein Weg ihn führt: in jenes Dunkel, aus dem er kommt, immer schon kam. Eine Lichtgestalt war er nie, wird es nicht mehr werden. Und wer noch daran zweifelte,...
