An der Grenze des Verschwindens
Gerade noch hat Dramaturgin Sarah Grahneis umsichtig das gleich folgende Stück erklärt, mit dem Librettisten Händl Klaus über die Bedeutung des Textes wie die komplexe Musik von Georg Friedrich Haas gesprochen. Und schon geht es vom Foyer des Staatstheaters auf die Bühne und dortselbst auf eine Tribüne. Vor uns das Orchester, an den Flanken positioniert, in der Mitte eine Art Kasten. Nochmals hat die Dramaturgin einen Auftritt, denn sie muss das Sicherheitskonzept erläutern. Große Teile des Stücks spielen im Dunkeln, genauer: im Stockdunkeln.
Haas will damit spirituelle Erfahrungen ermöglichen, das Publikum gleichsam in die Situationen, Gefühlszustände hineinziehen. Doch was, wenn einem schlecht wird? Wenn sich eine Panikattacke einstellt? Sarah Grahneis weiß Rat. Fleißige Beobachter mit Nachtsichtgeräten stünden bereit und schauten auf die oft umnachteten Tribünensitzer. Wer es nicht aushalte, möge eine Hand heben, außerdem gebe es Knicklichter neben den Sitzen.
Dann geht es endlich los – und wird bald schon wirklich finster. Im Saal und im Stück. Die folgenden knapp zwei Stunden sind ganz Micha -ela gewidmet, die im Wachkoma liegt. Um sie herum wuselt Pflegepersonal, aber es ...
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Opernwelt Mai 2024
Rubrik: Panorama, Seite 58
von Jörn Florian Fuchs
Am Ende kratzte man sich den Kopf. Sicher, das kann bei Uraufführungen schon mal vorkommen. Aber es ist doch eine Seltenheit, dass immer auch das Gegenteil dessen zumindest nicht ganz falsch ist, was man zugunsten einer Aufführung sagen oder als Kritik an ihr einwenden möchte. Dieser Abend war gute drei Stunden lang lähmend und erfrischend, locker und verkrampft,...
Die zweite und letzte Neuproduktion an der English National Opera (ENO) in dieser ansonsten aus Wiederaufnahmen bestehenden Spielzeit traf mit Lidiya Yankovskayas atmosphärisch dichtem Dirigat und Joe Hill-Gibbins’ spannender Lesart von Bartóks Einakter «Herzog Blaubarts Burg» trotz krankheitsbedingter Probleme ins Schwarze. Allison Cook, die eigentlich Judit...
Wenn sie sich dazu entschieden haben, mich zu töten, heißt das, dass wir unglaublich stark sind.» Letzte Worte, aufgenommen vor dem nicht angekündigten, aber doch erwartbaren Tod. Und es ist keine bemüht aktualisierende Regie-Idee – der tragische Fall Alexej Nawalny spukt ohnehin durch diese Aufführung. Also soll dem gerade Ermordeten per Lautsprecher-Zitat auch...
