Ambivalent

Verdi: Aida an der Berliner Staatsoper

Kaum ein Werk des italienischen Repertoires steht wohl derart unter kritischem Regiebeschuss wie «Aida». Lange bevor sich eine junge Generation gebärdete, als hätte sie die Verbrechen des Kolonialismus entdeckt, er -regte Verdis für Kairo geschriebene Quasi-Grand-Opéra einiges Unwohlsein, weil sie Imperialismus nicht nur thematisierte, sondern selbst kulturellen Imperialismus betrieb, und sei es im Auftrag des ägyptischen Vizekönigs Ismael Pascha, der sein Land im Eiltempo modernisieren wollte.

Wie sich kritische Impulse indes totlaufen können und nur noch lose und schlaff über das Werk legen, demonstriert Calixto Bieitos «Aida»-Inszenierung an der Staatsoper Berlin. Dass hier keine exotische Welt ausgemalt wird, versteht sich von selbst, umso mehr, als Bieito hier wie bei ihm üblich ohne bühnenbildnerische Konkretionen arbeitet. Die Handlung ist in einem (von Rebecca Ringst entworfenen) aseptisch weißen Kasten angesiedelt, der sich durch auf- und abfahrende Versenkungen und Deckenelemente situativ verkleinert oder vergrößert.

Ist man das zurzeit kaum lösbare Problem der Repräsentation einer anderen Kultur erst einmal los, verallgemeinert sich der kritische Impuls ins allgemein ...

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Opernwelt November 2023
Rubrik: Panorama, Seite 51
von Peter Uehling

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