Abwegig
In der Partie der Leonore hat Evelyn Herlitzius weltweit reüssiert. Nun hat sie mit Beethovens «Fidelio» am Hessischen Staatstheater Wiesbaden ihr Regiedebüt gegeben. Das Bühnenbild von Frank Philipp Schlößmann lässt die Zuschauer in ein Gefängnis blicken, das dem «Panopticon» nachempfunden ist, einem vom Philosophen Jeremy Bentham im ausgehenden 18. Jahrhundert entworfenen Gefängnisbau, der die totale Überwachung aller Insassen durch einen einzigen Wärter garantierte.
In streng symmetrisch angeordneten Zellen bewegen sich die Gefangenen in Wiesbaden darin wie in einem Setzkasten. Hinter den milchigen Scheiben ist jede ihrer Bewegungen einsehbar. Nur ein Insasse ist den Blicken entzogen – Florestan, der als politischer Häftling ins tiefste Dunkel verbannt wurde. Die brutale Repression gegenüber Andersdenkenden, die auf unabsehbare Zeit im Gefängnis verschwinden, ist ein Thema, das heute wieder beklemmende Aktualität erlangt. Eigentlich eine Steilvorlage für die Inszenierung. Doch die Regisseurin vermeidet jede aktuelle Bezugnahme und verlegt sich stattdessen lieber darauf, Geschichten zu erzählen. Leider führt bereits der hinzuerfundene Prolog, der während der Ouvertüre in einer ...
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Opernwelt 12 2022
Rubrik: Panorama, Seite 50
von Silvia Adler
Hätte nicht Rudolf Bing im Jahr 1958 aufgrund erheblicher Differenzen über das zu wählende Repertoire Maria Callas gefeuert, das Publikum der Met wäre schon vor mehr als 60 Jahren in den Genuss der «Medea»-Fassung mit den deutschen Rezitativen von Franz Lachner gekommen. Zwar gab es in den 1950erund 60er-Jahren einige konzertante Aufführungen dieses hybriden Werks...
Sind das Wasserleichen, die da in diesem riesigen, hellen und mit kühlem Nass befüllten Kubus liegen? Langsam beginnen diese Wesen, sich – choreografisch wohlsortiert kreisend – in ihrem Element zu wälzen, breiten die Arme aus und lassen sie auf die Oberfläche platschen. Später bilden sie allerhand Knäuel und Klumpen, ihre Körper scheinen miteinander zu...
Will man im Internet flugs «Komplexität» bebildern, so finden gerne riesige vollgekritzelte Tafeln Verwendung. Ein bisschen schwingt auch immer traurig die «Einsamkeit des Genies» mit, wird man solcher Kreidekrümel auf grünem Grund gewordener – meist mathematischer – Gedankenströme ansichtig (Cineasten denken in diesem Moment vielleicht an den Film «A Beautiful...
