Versehrt, verletzt, vernarbt
Theater ist eine lokale Kunst. Schreiben eigentlich nicht. Theaterschreiben bestenfalls nicht. Dramatik will und soll grundsätzliche Fragen stellen. In Zeiten vielschichtiger Förderungen zeigt sich aber, dass das Schreiben lokale Verortung erfährt. Immer öfter ist nicht nur das Theater und sein Ensemble, sondern die Metropole oder der Landstrich samt seiner kulturhistorischen Komplexität Matrize für Stückaufträge. Gelegentlich erweist sich diese Ortsanbindung als Problem, weil sehr lokal gedacht, nur örtlich recherchiert oder zu national eingebettet wurde.
In Österreich stellt sich nicht selten die Frage, ob ein Text zu «deutsch», also zu deutschlandspezifisch ist. Das scheint nur im allerersten Moment kurios: Wir alle wissen, dass die gemeinsame Sprache die eigentlichen Unterschiede markiert, das Trennende an sich darstellt. Manche Stücke bleiben für ein österreichisches Publikum zu stark an der Alltagserfahrung der deutschen Nachbarn kleben und lassen sich gar nicht oder kaum auf den österreichischen Kontext übertragen. «Piefkinesisch» schimpfen das Herr oder Frau Österreicher. Diese Tatsache hat uns am Wiener Schauspielhaus immer wieder heftig diskutieren lassen: Ist dieses ...
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Theater heute Jahrbuch 2012
Rubrik: Die neuen Stücke der Spielzeit, Seite 145
von Andreas Beck
Die Ukraine «ist ein Land, das nicht mal eine Krise erlebt, sondern einen Untergang», sagte der Schriftsteller Jurij Andruchowytsch während der EURO 2012 in seiner Heimat. Nach dem Scheitern der orangenen Revolution haben sich viele Bürger enttäuscht von der Politik verabschiedet. «Heiden» spielt in Odessa und erzählt vom Leben in der inneren Emigration. Die im...
Wer einmal Constanze Becker gegenüber gesessen und in ihre großen dunklen Augen geblickt hat, wird die Tiefgründigkeit, die Anmut und die Wahrhaftigkeit des Schauspielerberufs erahnen können. Es war kurz vor der Sommerpause 2006, als ich Constanze Becker das erste Mal begegnete. Wir saßen auf dem Vorplatz des Deutschen Theaters, ich war dort Schauspieldirektor, und...
«Studie zu drei mythen der gegenwart» untertitelt Fritz Kater sein neues Stück «demenz depression und revolution». Mythen wurden und werden vor allem aus zwei Gründen erschaffen: um eine Erklärung für Unerklärliches zu finden und somit die Angst zu verkleinern und um den eigenen Standpunkt zu bestimmen – in ihnen drückt sich ein Welt- und Selbstverständnis aus. Bei...